In beiden Ländern hat jedoch die herrschende Königsmacht Sicherheitsschranken errichtet, die dafür sorgen, dass sogar im Falle eines Wahlsiegs der Opposition, die königlichen Herrscher ihre Macht nicht verlieren können. In beiden Königreichen gibt es nämlich neben dem Parlament einen Senat oder ein Oberhaus, deren Mitglieder vom König ernannt werden. Diese Kammern besitzen die Macht,alle Beschlüsse des Unterhauses zu annullieren.
In beiden Ländern ernennt der König die Regierungen ohne Mitsprache des Parlamentes, und in beiden Ländern zeigen die jüngsten Wahlen auch, dass es mit einer echten Demokratie, sogar nur für das Unterhaus, nicht weit her sein kann.
Fast eine schiittische in Bahrain
In Bahrein durfte die Opposition mitstimmen, und sie hat dabei auch beachtliche Erfolge erzielt. Sie konnte ihre Repräsentation von 18 der 40 Parlamentssitze halten. Doch sie beklagte sich nicht ohne Grund, benachteiligt worden zu sein. Mehrere ihrer Hauptvertreter und Hunderte ihrer Anhänger wurden im Vorfeld der Wahlen verhaftet. Und unmittelbar nach dem Urnengang wurde ein Prozess gegen 23 ihrer Oberhäupter angestrengt, in dem sie sich wegen angeblicher Verbreitung von Falschmeldungen und Verleumdungen und mutmasslicher Verschwörung gegen den Staat verantworten müssen.
Werden sie schuldig befunden, könnten sie mit dem Tode bestraft werden. Mehrere der Angeklagten haben erklärt, sie seien während der Haft gefoltert worden. Unter den Angeklagten befindet sich auch der Arzt Dr. Abdel Jalil Al-Singace, der Vorsitzende der Menschenrechtsorganisation al-Haqq, der als der wichtigste Blogger im bahreinischen Staate gilt. Sein Blog wurde stillgelegt.
Wahlboykott durch die jordanische Opposition
In Jordanien hat die Opposition im Vorfeld der Wahlen beschlossen, diese zu boykottieren, weil sie das Wahlsystem,unter dem sie antreten sollte, für allzu parteiisch ansah. Dies hatte zur Folge, dass die Anhänger des Königshauses, gewissermassen für sich alleine gelassen, die Wahlen notwendigerweise gewannen. Ein Mitglied der Oppositionsfront, das den Boykott durchbrach, wurde gewählt, jedoch dafür von der Front suspendiert.
Beide Königreiche haben Bevölkerungen, die tief gespalten sind. In beiden regiert mit dem Königshause die Minderheit. In Bahrain ist die Mehrzahl der Bürger, gegen 70 Prozent, schiitisch, der Hof und das Königshaus sind aber sunnitisch. In Jordanien stützt sich das Königshaus auf die alteingesessene Bevölkerung von Transjordanien und ihre Stammesstrukturen. Doch die seit 1948 und 1967 neu dazu gekommenen Palästinenser bilden die wahrscheinliche Mehrheit der jordanischen Bürger, und sie sympathisieren überwiegend mit der Opposition.
Enttäuschte Hoffnungen
In beiden Königreichen beklagen sich die von der Macht ausgeschlossenen Mehrheiten, sie würden vernachlässigt und zu Gunsten der mit dem Königshaus herrschenden Minoritäten diskriminiert. In den vorausgegangenen Wahlen hatten sowohl in Bahrein wie in Jordanien die Oppositionen bedeutende Erfolge errungen. Sie stellten zwar zwar nicht die Mehrheit im Parlament, aber doch eine ansehnliche Oppositionsfraktion, die es ihnen auf dieser Ebene erlaubte, allerhand Kritik an den Regierungshandlungen zu formulieren und vermutete Machtmissbräuche ans Licht zu bringen.
Die aussenstehenden Beobachter hatten sowohl Bahrain wie Jordanien gegenüber die Hoffnung geäussert, es werde den Regierungen und den Monarchen gelingen, ihre parlamentarische Opposition in das politische System einzubinden. Damit könnte, so die Vermutung, der Übergang von einer regimekritischen, "radikalen"und auf den Sturz des Establisments abzielenden Bewegungen zu kritisch aber konstruktiv mitarbeitenden Oppositionskräften zu vollziehen.
Doch "Their Majesties Oppositions" sind in beiden Ländern nicht zustande gekommen. Es ist vielmehr ein Rückschritt zu weniger Kooperationsbereitschaft und stärkerem Umsturzwillen in Bahrein zu erwarten. In Jordanien war mit dem beschlossenen Boykott dieser Schritt zurück zu verhärteten Geensätzen schon vor den Wahlen vollzogen.
Misslungene Einbindung der Islamisten in Jordanien
Die Hauptopposition in Jordanien ist heute jene der Islamisten. Ihre Einbindung durch Beteiligung an der Regierungsverantwortung wurde versucht, doch sie scheint nun missraten. Die sogenannte Islamische Aktionsfont, der politische Arm der Muslimbrüder, besass 17 Vertreter im früheren Parlament von 110 Sitzen, das 2005 bestellt worden war. In der nächsten Kammer von 2007 hatte sie nur noch 6 Vertreter auf. Sie wird nun wegen des Boykotts in der neuen Versammlung überhaupt nicht vertreten sein.
König Abdullah hatte das vorausgegangene Parlament im Jahre 2009 vorzeitig aufgelöst. Er war mit der geringen Handlungsfähigkeit der Kammer unzufrieden, von der er politische und wirtschaftliche Reformen gewünscht hatte. Das Land wurde über ein Jahr lang von einer vom König ernannten Regierung geleitet, die 101 "provisorische Gesetze" erliess und auch eine Reform des Wahlgesetzes anordnete. Mit dem neuen Wahlgesetz waren jedoch die Oppositionskreise in Jordanien, primär die Leute der Muslimbrüder, derart unzufrieden, dass sie den Boykott der jetzigen Wahlen ausriefen.
Ungleiche Wahlkreise als Stein des Anstosses
Seit Jahren besteht ein Streit um die Wahlkreise. Sie waren, seit 2007 verstärkt, höchst ungleich strukturiert. In den ländlichen Stammesgebieten des alten Transjordanien, wo die Anhänger des Königs zuhause sind, konnten 2000 bis
3000 Wähler einen Parlamentarier küren. In jenen von Amman und anderen Städten, wo die islamistische Opposition das Sagen hat, brauchte es bis 90 000 Stimmen für einen Sitz. Das neue Wahlgesetz hat die Sache kompliziert, die
bisherigen Wahlkreise sind unterteilt worden in Wahlbezirke, von denen jeder einen Abgeordneten wählt. Doch die Opposition war überzeugt, dass die neue Einteilung die alten Ungleichheiten bestehen liess, ja sie noch mehr
verstärkt habe.
Oasen der Ruhe am Rande der Stürme
Jordanien und Bahrain haben auch gemeinsam, dass es sich bei ihnen um Kleinstaaten handelt, die Oasen der Ruhe und Sicherheit bilden, obwohl sie in nächster Nähe von schweren Spannungsherden liegen und von ihnen betroffen sind: Dem palästinensisch-israelischen in Jordanien und den internationalen und interislamischen Konflikt um den schiitischen Gottesstaat Iran in Fall von Bahrain. Beide Kleinstaaten stützen ihre Sicherheit ab durch Zusammenarbeit mit den Amerikanern. In Bahrain ist die 5. amerikanische Flotte beheimatet. Der dortige Stützpunkt liegt näher als alle anderen an der iranischen Küste.
In Jordanien bilden die Bevölkerungsteile aus Palästina den grösseren Teil der Gesamtbevölkerung, und alles was in Palästina geschieht wirkt sich auf Jordanien aus. So hat zum Beispiel der Wahlsieg von Hamas in den Wahlen der Palästinenser vom Jahre 2006 zur Folge gehabt, dass die jordanischen Muslimbrüder sich spalteten in radikalere Gruppen, die Hamas nahe stehen, und in gemässigtere, die weiter bereit waren, im Rahmen des jordanischen Regimes als Parlamentarier mitzuwirken. Der gegenwärtige Boykott zeigt an, dass die Freunde von Hamas unter den jordanischen Brüdern Einfluss gewinnen.
In Jordanien gibt es auch neue Spannungen zwischen den Stammesleuten und Anhängern der Monarchie einerseits und den Jordaniern palästinensischer Herkunft andererseits. Diese Spannungen hängen damit zusammen, dass manche Palästinenser als gute Geschäftsleute und Unternehmer in die Oberklassen aufsteigen und die bisherigen Lenker der Geschicke des Staates und der Armee aus transjordanischen Kreisen deren Einfluss auf Regierung und Hof zu fürchten beginnen. Ein neues Parlament, in dem die Vertretung des einen, grösseren Teils der Jordanier fehlt, dürfte nicht in der Lage sein, solche Spannungen abzubauen.
Neben den politischen Gegensätzen bestehen auch Sorgen über die wirtschaftliche Lage des Königreiches. Es weist ein hohes Budget-Defizit auf (2 Milliarden Dollar ), eine Rekordverschuldung von 4,7 Milliarden Dollar (fast 60 % des Nationaleinkommens) und eine Arbeitslosigkeit von 13% auf Die ganze Bevölkerung klagt über rasche Zunahme der Preise der Grundnahrungsmittel. Diese Teuerung trifft natürlich die Unterschichten am schwersten. Der König drängt die Regierungen, etwas grundlegendes zur Verbesserung dieser Lage zu tun, bisher ohne spürbare Erfolge.
Unberechenbare Folgen echter Demokratie
In Bahrain und in Jordanien sind die zu grossen Teilen auf das weitere Umfeld zurückgehenden Spannungen dermassen stark, dass niemand mit Sicherheit voraussagen kann, was geschehen könnte, wenn die königlichen Regierungen, wirklichfreie und ausgeglichene Wahlen zulassen würden. Die Gefahr bestünde, dass es zu wilden inneren Kämpfen und zu einem Zusammenbruch der gesamten Staatswesen käme. Dies ist gewiss auch der wichtigste Grund dafür, dass die Amerikaner bereit sind, die Augen vor den ziemlich krassen Schönheitsfehlern der beiden königlichen Demokratien zu verschliessen.