Nachdem das grosse «Zeit»-Dossier zu einer Groschenroman-Veranstaltung in Form eines seitenlangen Interviews mit einem aus Mangel an Beweisen freigesprochenen Viertklass-Promi verluderte, dachte man eigentlich, tiefer geht’s nimmer. Aber dabei vergass man natürlich die «Weltwoche». Der Chefredaktor der einstmals angesehenen Wochenzeitschrift bewaffnet sich mit einem Tonband und einem Fotoapparat und fährt höchstpersönlich in die Pampa. Dort gibt er einem offenkundig traumatisierten und gestörten Wetteransager die Gelegenheit, Jauche auf ehemalige Weggefährten, Bettgespielinnen, die Justiz und die Medien herabregnen zu lassen.
Wäre ein Scoop für die Tiefebene bunter Blätter, ist ein Desaster für seriösen Qualitätsjournalismus. Auf zehn Seiten muss sich der Leser dieser Titelgeschichte der aktuellen «Weltwoche» durch die öffentliche Verrichtung der Psychohygiene eines pathologischen Falles quälen. Der wurde von «einer lügenden Staatsanwaltschaft» und deren «Sprachrohre „Stern“, „Süddeutsche“» verfolgt, ein Rechtsvertreter «mit seinem Knabensopran» sprach «Vorverurteilungen aus», schlimmer noch, man wollte den Mann «psychisch vernichten». Nun aber starte er einen Rachefeldzug: «Ihr lügenden Frauen: Ich werde euch zivil- und strafrechtlich für das belangen, was ihr mir angetan habt.»
Weltverschwörung
Natürlich handelt es sich hier um eine Weltverschwörung, in die nicht nur eine ausserhalb des Gesetzes agierende Justiz und kriminelle Frauen, sondern auch «Schmierenschreiber» in «Elendsprodukten» verwickelt seien, ein Buchautor schreibe nur «Unsinn», die Medien insgesamt haben «versagt», sich als «obrigkeitshörige Speichellecker einer durchgeknallten Staatsanwaltschaft verstanden». Auch namentlich nimmt sich der traumatisierte Wüterich ehemalige Kollegen zur Brust. Roger Schawinski sei ein «Wichtigtuer», Peter Rothenbühler habe ein «lügenhaftes Fantasieprodukt» in die SI gestellt, unterstützt von deren Chefredaktor Nik Niethammer, bei dem «Faktentreue noch nie seine Stärke war». Alice Schwarzer gar habe sich «zur Schutzheiligen einer Kriminellen erklärt». Das mag ja alles im Rahmen eines ausartenden Männergesprächs unter vier Ohren noch angehen. Aber wer ernstzunehmenden Journalismus betreiben will, sollte wissen, dass man manchmal Menschen auch vor sich selbst schützen muss. Dass es nicht angeht, mit unterwürfigen und unkritischen Fragen einer verfolgenden Unschuld eine Plattform zu bieten, um andere und sich selbst mit nicht enden wollendem Sprachdurchfall weiter zu beschmutzen und zu beschädigen. Schon alleine der Respekt vor dem Leser geböte das.
Tiefergelegter Journalismus
Wer ein buntes Promiheftchen liest, ist voyeuristisch an den Irrungen und Wirrungen im Leben der Halb- und Viertelprominenz interessiert, möchte gerne wissen, wer wen betrogen hat und wohin der Hund geht, wenn ein Pärchen sich trennt. Aber wenn eine Zeitschrift, die den Anspruch erhebt, ein intelligenter Begleiter beim Tischgespräch zu sein, für den Leser die Türe zum stillen Örtchen öffnet, in dem Papier normalerweise einer anderen Bestimmung zugeführt wird, dann ist wohl ein nicht mehr unterbietbarer Tiefpunkt erreicht. Die wild flatternde Wetterfahne ist selber verantwortlich für ihre Anschuldigungen. Dass es sich das ehemalige Qualitätsblatt aber nicht nehmen lässt, den vollständigen Namen der Nebenklägerin zu erwähnen, ist dann noch eine Sauerei in der Ferkelei. Ich hätte nie gedacht, dass Papier dermassen stinken kann, ohne dass man sich vorher den Hintern damit abgewischt hat.