Das letzte ägyptische Parlament wurde sechs Monate nach Sisis Wahl im Juni 2012 vom Verfassungsgericht aufgelöst. In jener Versammlung besassen die Muslimbrüder die Mehrheit. Neue Parlamentswahlen waren ursprünglich auf Mitte 2014 versprochen worden. Die Wahlvorbereitungen zogen sich jedoch hin, deshalb wurden die Wahlen auf den 22. und 23. März dieses Jahres angesetzt. Doch jetzt müssen sie erneut verschoben werden, bis wann, ist unklar.
Grund für die Verschiebung ist ein Entscheid des Verfassungsgerichts. Dieses hat die Klagen von sechs Juristen gegen das „Gesetz zur Aufteilung der Wahlkreise“ gutgeheissen und erklärt, laut diesem Gesetz würden die Wähler ungleich repräsentiert.
Veraltete Bevölkerungsstatistiken
Andere Einwände der Kläger gegen das Wahlgesetz wurden vom Gericht abgelehnt, so zum Beispiel das Gesetz für politische Rechte, das im vergangenen Jahr formuliert worden war. Das „Gesetz zur Aufteilung der Wahlkreise“ muss nun neu geschrieben werden. Es muss darauf geachtet werden, dass in allen Wahlkreisen gleich gewählt wird und Gewählten die gleiche Zahl von Stimmen erhalten müssen.
Die Sache droht kompliziert zu werden, weil die Bevölkerungsstatistiken oft veraltet sind. Sie stimmen keineswegs überall mit der wirklichen Zahl der Bewohner überein. Bei allen früheren Wahlen war mit Wählerlisten gearbeitet wurden, auf denen sich die Stimmberechtigten eintragen mussten, um wählen zu können. Zurzeit ist unklar, was mit diesen Listen geschehen soll. Werden sie weiterhin verwendet oder werden sie revidiert?
Mächtige Persönlichkeiten im Vorteil
Das vorgesehene Wahlsystem, das nun bestehen bleiben soll, ist kompliziert. Zwei Drittel der vorgesehenen gut 500 Volksvertreter sollen „Personen-Wahlen“ sein. Ein Drittel der Volksvertreter sollen aufgrund der Parteilisten gewählt werden. Jenen Listen, die am meisten Stimmen erhalten, werden alle Parteisitze des betreffenden Wahlkreises zugeteilt. Die kleineren Parteien, die Gefahr laufen, leer auszugehen, wollten auch diese Vorschrift ändern, doch das Gericht wies sie ab.
Die Folgen dieser Regelung werden sein, dass zahlreiche oftmals wohlhabende und lokal mächtige Persönlichkeiten gewählt werden. Dies sind oft Leute, die für ihre Position und ihre Geschäfte darauf angewiesen sind, sich mit den Behörden gut zu stellen. Dazu werden einige Parteipolitiker der grösseren Parteien kommen.
Wenig Chancen für die "Demokratische Strömung"
Es gibt einen Zusammenschluss der kleineren Parteien. Unter ihnen befinden sich viele der Sympathisanten und Aktivisten der Protestgruppen der Jahre 2011 und 2012. Der Zusammenschluss nennt sich "Demokratische Strömung".
Das Wahlgesetz, nun vom Gericht bestätigt, dürfte dafür sorgen, dass nur sehr wenige Kandidaten aus dieser „Demokratischen Strömung“ ins Parlament kommen. Einige der bekanntesten Aktivisten aus jener Zeit befinden sich bereits im Gefängnis. Sie wurden beschuldigt an Demonstrationen teilgenommen zu haben. Viele wurden zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt – oder gar zu einer lebenslangen Strafe.
Sisis Gesetz gegen den Terrorismus
Solange es kein Parlament gibt, wirkt Präsident Sisi als der einzige Gesetzgeber. Manche Ägypter glauben, die Wahlgesetze und das Gesetz über Wahlkreise seien absichtlich so verfasst worden, dass sie Anfechtungen offen standen, weil dies dem Machthaber die Möglichkeit gäbe, seine Periode unkontrollierter Souveränität nach seinem Belieben auszudehnen.
Ob dies nun so ist oder nicht: Fest steht, dass Sisi soeben ein neues Sicherheitsgesetz erlassen hat, das den Sicherheitsorganen des Staates weite Kompetenzen verschafft. Dies geschieht, indem der Begriff "Terrorismus" sehr weit gefasst wird.
Nach den neuen Bestimmungen, die Sisi am 25. Februar unterzeichnete, kann als terroristisch gelten:
"Jede Organisation, Vereinigung, Gruppe oder Gang, die versucht, darauf abzielt auf oder dazu aufruft,
- die öffentlichen Ordnung zu destabilisieren,
- die Ruhe oder Sicherheit der Gesellschaft gefährdet,
- die die Individuen verletzt oder sie terrorisiert oder ihr Leben, ihre Freiheitsrechte oder ihre Sicherheit in Gefahr bringt."
Als Terrorist kann auch gelten:
- „Jedermann, der versucht die soziale Einheit zu gefährden,
- der versucht, die Umwelt zu gefährden,
- der sich Naturvorkommen oder Geldern bemächtigt,
- der die Kommunikation beeinflusst,
- der Gebäude in öffentlichem oder privaten Besitz besetzt,
- der die Arbeit der Regierung oder der Justiz behindert."
"All diese Gruppen müssen aufgelöst werden. Ihr Besitz und der ihrer Gesinnungsgenossen oder Sponsoren wird eingefroren."
Kriminalisierte Opposition
Die noch überlebenden Menschenrechtsorganisationen verfehlten nicht anzumerken, dass solch weit gefasste Umschreibungen dazu dienen können - und wahrscheinlich dazu dienen werden -, so gut wie alle Aktivitäten und Äusserungen, die sich gegen die Regierung richten, zu kriminalisieren. Schwere Strafen für den Sachverhalt "Terrorismus" sind seit geraumer Zeit im ägyptischen Strafgesetz vorgesehen. Sie gehen von fünf Jahren Gefängnis bis zu lebenslänglich und - wenn Gewalttaten vorliegen - auch zur Todesstrafe.
Das neue Terrorismus-Gesetz wird es ermöglichen, die vorgesehenen Strafen auf alle anzuwenden, die in Opposition gegen den Staat auftreten.