Die Bezeichnungen sind selbsterklärend. Kredit, von credere, beruht auf Vertrauen. Der Gläubiger glaubt, dass er sein Geld wieder zurückkriegt, das er verliehen hat. Normalerweise mitsamt einem Zinsaufschlag für das von ihm übernommene Risiko, dass der Schuldner eventuell nicht zurückzahlen kann. Schuldgeschäfte sind immer zukunftsgerichtet, daher im Ergebnis nicht mit Sicherheit vorhersehbar. Deshalb beruhen sie auf Vertrauen, und auf nichts anderem. Sicherheiten und frühere Erfahrungen können es steigern.
Fiat-Geld
Neben Individuen, Firmen oder Banken gibt es eine übergeordnete Instanz, die in der modernen Schuldwirtschaft eine zentrale Rolle spielt: die Zentral- oder Notenbank eines Staates. Seit der Aufhebung des Goldstandards, also des Versprechens, im Umlauf befindliches Notengeld garantiert in eine bestimmte Menge Gold zu tauschen, geben Notenbanken Fiat-Geld heraus, beispielsweise Dollar oder Euro. Fiat ist auch Lateinisch, «es werde». Das bedeutet, dass die Geldfunktionen, Tauschmittel, Sparmittel und Wertmessfunktion, gesetzlich geregelt und stabil sind. Sonst würde niemand ein bedrucktes Stück Papier im Tausch für ein Produkt oder eine Dienstleistung akzeptieren. Vor allem, wenn es nicht mit einer beschränkenden Kontrolle verknüpft ist, nämlich Gold.
Papier statt Gold
Gold hat eigentlich keinen Gebrauchswert, ist aber nur in beschränkter Menge vorhanden, zerfällt nicht, ist schwer zu fälschen und eroberte sich so schon vor Tausenden von Jahren einen besonderen Platz als Tausch- und Wertaufbewahrungsmittel. So viel man weiss, versuchte ein persischer König im 13. Jahrhundert als erster, die leere Staatskasse durch die Herausgabe von Papiergeld zu füllen. Auf die Nichtverwendung stand die Todesstrafe, der Wert der Papiere wurde von ihm garantiert. Das Experiment funktionierte nur zwei Monate lang, der König musste seinen Entscheid widerrufen und wurde anschliessend ermordet. Assignaten in der Französischen Revolution und dann der Greenback der USA waren schliesslich erfolgreichere Versuche, ein auf Vertrauen beruhendes Stück Papier als allgemeines Zahlungsmittel zu etablieren. Der Dollar überlebte sogar seine Abkoppelung von Gold, ohne dass damals Präsident Nixon ermordet wurde. Immerhin wurde er später aus dem Amt gejagt, doch nicht deswegen. Damit war aber der ungezügelten Geldvermehrung Tür und Tor geöffnet.
Missbrauch des Vertrauens
Vertrauen kann man nicht drucken, Papiergeld schon. Heutzutage ist nicht mal mehr das nötig. Obwohl in allen Berichten über die Vermehrung der Geldmenge illustrativ Druckerpressen gezeigt werden, stellt heute jede Zentralbank neues Geld mit einem Klick auf der Computertastatur her, und aus dem Nichts entstehen 10 Milliarden, 100 Milliarden neue Dollar oder Euro. Oder Franken. Der Staat ist also der einzige Kreditnehmer, der seine Schulden mit aus dem Nichts geschöpften Geld bezahlen kann. Wäre doch wunderbar, die Lösung: Das amerikanische Fed stellt einfach 14 Billionen Dollar mit einem Klick her, und die USA wären schuldenfrei. Funktioniert leider nicht. Denn, vereinfacht dargestellt, beruht die Verwendung von Geld auf dem Vertrauen, auch morgen noch den gleichen Gegenwert von heute erarbeitetem Geld zu erhalten. Wenn nun aber der einzige, der das kann, nämlich die Notenbank, mehr Geld herstellt, als dem in Form einer Steigerung des Bruttosozialprodukts entsprechen würde, gibt es Inflation. Also Geld verliert zuerst seinen Wert, dann Vertrauen.
Und die Schulden?
Heute Schulden machen, bedeutet, dieses geliehene Geld sofort produktiv einzusetzen, um mit der dadurch gesteigerten Wertschöpfung sowohl die Schulden wie die Zinsen morgen zurückzuzahlen. Im «normalen» Wirtschaftskreislauf nennt man das Allokation, also jemand hat Geld unproduktiv rumliegen, ein anderer könnte damit etwas Sinnvolles anfangen, man setzt sich ins Einvernehmen. Ein Staat stellt nun nicht viel Produktives her, schafft aber die Rahmenbedingungen, beispielsweise in der Infrastruktur, im Ausbildungssystem, mit sozialer und rechtlicher Stabilität, damit die Wirtschaft flott vorankommt. Und daraus schöpft er dann mittels Steuern wieder Geld ab, um nicht nur die fälligen Zinsen, sondern auch seine Schulden bezahlen zu können. Normalerweise.
Gratis-Geld
Geld ist der wichtigste Rohstoff des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Neben dem Herstellungsmonopol verfügt die Notenbank noch über ein zweites teuflisches Instrument. Sie bestimmt die Risikoprämie, also den Zinssatz, für den es geliehen werden kann. Der liegt bei Null. Es gibt also keine anständige Risikoprämie mehr dafür, Geld zu verleihen, es gibt kein Regulativ mehr, nur sinnvoll Schulden zu machen. Wenn Schulden nicht mehr anständig verzinst werden müssen, kann man ihre Begleichung auf die lange Bank schieben. Das verstellt den Blick darauf, dass sie eigentlich unbezahlbar sind. Historische Untersuchungen zeigen, dass ein Staat, der zu mehr als 80 Prozent des Bruttoinlandprodukts verschuldet ist, aus dieser Nummer nur auf zwei Arten herauskommt. Hyperinflation, also das Entwerten von Schulden. Oder Staatsbankrott. Nicht allzu selten sind zudem ein Zerfall der sozialen Ordnung, Bürgerkriege und Feldzüge zur Eroberung neuer Ressourcen damit verbunden.
Im Auge des Sturms
Kein sogenannter Finanzwissenschafter kann erklären, wieso die seit Jahren andauernde Niedrigzinspolitik und das Neuherstellen von Geld im Multimilliardenbereich nicht schon längst zu diesen Folgen geführt haben. Einige, wie der Nobelpreisträger Paul Krugman, geben das Nichtbegreifen sogar zu und raten pragmatisch, dass man dann doch einfach so weitermachen könne. Aber eines ist sicher: Gratisgeld führt zu Blasenbildungen, die platzen. Ungebremste Herstellung von Geld führt zu Hyperinflation, die vernichtet Sparguthaben und Altersvorsorge. Und Schulden verschwinden nicht einfach, sondern müssen beglichen werden. Oder der Schuldner erklärt seinen Bankrott, und der Gläubiger verliert sein Geld und seinen Glauben. Im Auge des Sturms passiert das alles nicht. Noch nicht.