Wenn es derzeit in Europa ein immenses, ein endgültig nicht lösbares Problem gibt, dann die dramatische Situation der Flüchtlinge. Logisch, dass alle darüber reden. Wer allerdings behauptet, er oder sie wisse, was zu tun sei, der redet fahrlässig und irrt sich.
In dieser Situation ohne sichtbaren Ausweg sind die Intellektuellen gefragt. Nicht weil ihre Meinung wertvoller wäre und mehr gelten sollte als die eines Coiffeurs oder eines Tennisstars, die sich mit dem gleichen Recht zum Thema äussern wie die Denk- und Sprachspezialisten, einem Thema, das alle überfordert. Die Intellektuellen aber sind tatsächlich nicht über- sondern ge-fordert. Weil sie die Sprache beherrschen (sollten), haben sie einen Zugang zum Problem, der, wenn schon keine endgültigen Lösungen, so doch Ansätze, Strategien, Denkwege aufzeigen kann.
Sie sollen und müssen irritieren mit ihren Texten, das Problem analysieren, mit aller Deutlichkeit Konflikte, Unvereinbarkeiten, die damit im Zusammenhang stehen, benennen. Das ist nicht wenig. Zu den profiliertesten Intellektuellen, die sich mit der Flüchtlingsproblematik intensiv auseinandersetzen, gehört die deutsche Autorin Jenny Erpenbeck, von der eben ein Roman zum Thema („Gehen, ging, gegangen“ heisst er) erschienen ist. Nach ihrer Motivation befragt, antwortet sie einem Interviewer: „Ich fange immer dann zu schreiben an, wenn ich mit einer Frage, die sich mir stellt, nicht fertigwerde, wenn ich keine Lösung habe.“
Keine Lösung, keine festgefügte Meinung haben, nicht wissen, wohin man sich bewegt: das mag ein denkbar schwieriger Schreibansatz sein. Wenn es um das Flüchtlingsproblem geht, ist es vielleicht der einzig richtige.