Es gab Zeiten, da galt es als selbstverständlich, dass man von vielen Fachgebieten mehr als nur eine Ahnung haben musste, wollte man als Politiker, als Politikerin ins Parlament oder in ein Amt gewählt werden.
Heute scheint es cool und durchaus erfolgsversprechend zu sein, wenn man von Wissen, Erfahrung, von den Erfordernissen der Aufgabe, mit der man es zu tun bekommt, keinen Schimmer hat. Ein von Politik ganz unbelecktes Model wollte (und will es jetzt eben doch nicht mehr so ganz) Nationalrätin werden, und ausgerechnet die ernsthaften, themenorientierten Grünen finden das eine Superidee. Ein Liebhaber des Illusionären, ein Schauspieler, wird Präsident eines zerrissenen Landes. Eine ungeschickt operierende Parteivorsitzende wird Verteidigungsministerin, ohne sich je mit der komplexen Technik der Armee und allem, was dazu gehört, befasst zu haben.
Der amtierende Weltmeister im nonchalanten Umgang mit Ahnung und Wissen, mit Dichtung und Wahrheit ist der unermüdlich vor sich hin twitternde Mann im Weissen Haus zu Washington. In Grossbritannien hat er jetzt in der Person Boris Johnsons einen fast ebenbürtigen Kollegen erhalten. Der wechselt zwar Meinungen und Überzeugungen wie Hemden – den Brexit möchte er aber schon durchziehen. Hart, wenn’s denn sein muss.
Ob man ihm das glauben soll? Ob man ihm überhaupt etwas glauben soll? Von Johnson ist in einem vor ein paar Jahren der BBC gewährten Interview eine bemerkenswerte Aussage überliefert. Es sei im Leben hilfreich, anderen das Gefühl zu geben, dass man keine Ahnung habe. „Vielleicht hat man keine Ahnung. Doch dann kann niemand den Unterschied erkennen …“ Was dem Johnson im Leben hilft, das Verwirrspiel zwischen Wissen und so tun als ob, mag unterhaltsam sein. Zu dumm nur, das Millionen Menschen die Entscheidungen, die aus dem Spiel resultieren, aufs Heftigste zu spüren bekommen werden.