Noch bis Mitte März ist Cuno Amiet mit seinem wunderbaren, beeindruckenden und äusserst vielseitigen und unbedingt sehenswerten Werk im Kunstmuseum Bern zu Gast. Die originelle Sammlung Eduard Gerber unter dem Titel „Amiet. Freude meines Lebens“ wurde bis Ende Jahr bereits von über 26 000 Besucherinnen und Besuchern bewundert. Eine Rekordzahl im letzten Jahr. Zu den Höhepunkten gehörte auch Ernest Biéler, ebenso die Ausstellung „Schweizer Kunst aus sieben Jahrhunderten“, die vorgängig in München auf grosses Interesse gestossen war. Martin Ziegelmüller, Picassos „Macht des Eros“, Yves Netzhammer u.a,m haben das letzte Ausstellungsprogramm geprägt.
Insgesamt hat das Kunstmuseum Bern letztes Jahr 81 765 Eintritte verzeichnet. Im Vorjahr waren es ca.169 000, was auf die große Anker-Ausstellung mit allein über 100 000 Besucherinnen und Besuchern zurückzuführen ist. Ein wahrer Rettungs-Anker für das Museum. Im Jahre 2009 wurden über 70 000 Eintritte verbucht. 2008 sorgte Hodler für einen Besucherrekord (118 466 Eintritte). Das letztjährige Ergebnis darf als zufriedenstellend angesehen werden. Für Direktor Matthias Frehner war 2011 ein Durchschnittsjahr. Das auf mehreren Ebenen (Kindermuseum, Konzertzyklen usw) tätige Zentrum Paul Klee (ZPK) rechnet für das letzte Jahr mit schätzungsweise etwa 150 000 Eintritten, ebenfalls deutlich weniger als im Vorjahr. Trotz Spitzenausstellungen liegt Bern gegenüber Zürich und Basel weit zurück. Allein die Fondation Beyeler in Riehen bei Basel konnte für letztes Jahr die Rekordzahl von 426 786 Eintritten verkünden. Bern darf jedoch mit Stolz auf das letztjährige Ausstellungsjahr zurückblicken. Entscheidend und allein aussagekräftig für Prestige und Ausstrahlung eines Museums sind Eintrittszahlen nämlich bei weitem nicht.
Klare Zukunftsstrategie
Für das neue Jahr legt das Kunstmuseum ein originelles Programm vor. Es trägt ganz eindeutig die Handschrift von Direktor Matthias Frehner. Seine weitherum anerkannte Fachkenntnis, die kunsthistorische Kompetenz und sein visionäres Denken finden hier uneingeschränkt ihren Ausdruck. Er hat in den letzten Jahren dem Haus seinen persönlichen Stempel aufgedrückt und die Grundlage für Zukunftsstrukturen geschaffen. Trotz beschränkten finanziellen Mitteln, ist es immer wieder gelungen, das Museum laufend weiter zu modernisieren und weiter zu entwickeln. So hat das Kunstmuseum Bern, dank einer Vielzahl bedeutender Ausstellungen sowohl national als auch international die verdiente Aufmerksamkeit gefunden. Das „schönste und älteste Museum“, wie Frehner die Institution bezeichnet, fand in der neuen, modernen Museums-Welt einen sicheren Platz.
Das Programm 2012 ist der Grundphilosophie des Hauses treu geblieben. Auch die Kernaufgabe des Kunstmuseums Bern, nämlich die Präsentation schweizerischer Kunstschaffender, wird nicht vernachlässigt. Erfreulich und erfrischend ist auch der Mut zu Neuem, ja manchmal Unbekanntem. Ein Blick in den Veranstaltungskalender weist auf bevorstehenden, höchsten Kunstgenuss hin. Überraschende Entdeckungen und nachhaltige Kunsterlebnisse sind vorprogrammiert. Kunstfreundinnen, Kunstfreunde nehmt eure Agenda und den Rotstift zur Hand! Es gilt, vieles nicht zu verpassen.
Auftakt mit Photokunst
Das eigentliche Ausstellungsjahr wird im März mit gleich drei spektakulären Veranstaltungen eröffnet. In der ersten Präsentation steht die internationale Photokunst im Mittelpunkt. „Industrious“ lautet der Titel (2.3. bis 6.5./Kuratoren: Matthias Frehner, Regula Berger). Gezeigt werden Werke von Marco Grob, dessen Porträtaufnahmen zu den besten dieser Art zählen. Die beiden Berliner, David Hiepler und Fritz Brunier haben sich längstens als Industriephotographen einen Namen gemacht. Bei der bevorstehenden Berner Bildschau handelt es sich um ein Grossprojekt, das anlässlich des 100jährigen Bestehens des Schweizer Holcim-Konzern (Schmidheini) entstanden ist. Im Auftrage des Unternehmens besuchten die drei Photographen alle Holcim-Werke rund um die Welt. Der Schweizer Grob hat mit seiner Kamera unvergessliche, eindrucksvolle Gesichter aus den 80 000 Holcim Mitarbeitenden herausgelöst. Ein Menschen-, ja ein Gesellschaftsbild widerspiegelt sich in jeder einzelnen Aufnahme. Industrieanlagen, Werkplätze ermöglichen einen aufschlussreichen Blick in unbekannte Arbeitswelten. Ein Zeitdokument wird hier zu bestaunen sein.
Von Sean Scully zu Hermann Hess
;„Atmosphärische Abstraktion im Grossformat“ betitelt das Kunstmuseum die große Frühjahrsausstellung, die dem 67jährigen irisch-amerikanischen Künstler Sean Scully gewidmet ist. Scully ist einer der wichtigsten Vertreter der abstrakten Malerei. Er malt hauptsächlich in Schwarz-, Braun- und Rottönen mit deutlich erkennbaren grobborstigen Pinselstrichen. Gezeigt werden etwa 60 grossformatige Gemälde, von Leihgebern aus den USA und wichtigen europäischen Museumssammlungen zur Verfügung gestellt. Die Retrospektive wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler und als Koproduktion mit dem Lentos Kunstmuseum in Linz gestaltet. (8.3. bis 24.6. / Kuratoren: Matthias Frehner, Annick Haldemann).
Ende März wird eine besonders beachtenswerte Ausstellung angekündigt: „….die Grenzen überfliegen“. Literatur und Malerei stehen hier im Dialog. Kein geringerer als Hermann Hesse (1877 – 1962) kommt hier anlässlich seines 50.Todestages zu Ehren. Er hat nicht nur zur Feder, sondern auch zu Pinsel und Farben gegriffen. In der Bildsprache fand der große Literat ein weiteres, eher unbekanntes Ausdrucksmittel. Sein Kunstverständnis lässt sein literarisches Schaffen in neuen Dimensionen wahrnehmen. In dieser ersten Retrospektive werden frühe Studien mit diversen Motiven, grossformatige Landschaftsaquarelle, Federzeichnungen, kleinfor- matige Textilillustrationen usw. gezeigt. Zu sehen sind vor allem Werke aus der Berner Zeit (1912 – 1919) aber auch aus dem Tessin. Ein Rahmenprogramm umfassend Lesungen, Konzerte, literarische Spaziergänge usw. ergänzt die Ausstellung. Hinzu kommen Feierlichkeiten und ein internationaler Kongress zum 50.Todestag von Hesse.
Retrospektive Antonio Saura
Zum Auftakt des Sommerprogramms kommt Zarina Bhimji zum Zuge. In Zusammenarbeit mit der renommierten Whiteschapel Gallery in London präsentiert das Kunstmuseum Bern die erste Retrospektive der britischen Photographin, Filmemacherin und Installationskünstlerin. Es ist eine poetische Annäherung an die postkoloniale Geschichte. Ein imposantes Zeit- und Gesellschaftsbild. (1.6. -2.9./Kuratorin: Kathleen Bühler).
Ein Höhepunkt im Ausstellungsjahr dürfte mit Sicherheit die grosse Retrospektive Antonio Saura (1930 -1998) sein. Der Spanier gehört zu den bedeutendsten Künstlern des 20. Jahrhunderts und zu den prägendsten Exponenten der spanischen Malerei seiner Epoche. Eine breitgefächerte Gesamtschau mit nahezu 200 Werken. Ein ehrgeiziges Projekt ist hier zustande gekommen, in Zusammenarbeit mit dem Museum Wiesbaden (das die Berner Ausstellung Ende Jahr übernimmt). Matthias Frehner, der Direktor des Kunstmuseums Bern führt ein prestigeträchtiges, internatio- nales Kuratorenteam an. (6.7. bis 11.11).
Ausklang mit Oppenheim und Klee
Zum Jahresende ist eine Hommage an Meret Oppenheim angesagt, die nächstes Jahr ihren 100.Geburtstag begehen könnte. Die Ausstellung soll den Einfluss der berühmten Künstlerin auf den Surrealismus in der zeitgenössischen Kunst unseres Landes aufzeigen. Das Kunstmuseum Bern verfügt über eine große Sammlung von Werken Meret Oppenheim. Auf eine eigentliche Retrospektive wird bewusst verzichtet, da das Museum vor erst sechs Jahren die in Bern stark verankerte Künstlerin bereits mit einer großen Ausstellung gewürdigt hatte. Diesmal werden ihre Werke solchen zahlreicher Künstler der Gegenwart gegenübergestellt (19.10. -10.2. 2013/Kuratorin: Kathleen Bühler).
Im November wird sodann die Ausstellung Otto Nebel (1892 – 1973) eröffnet. Anlässlich des 120. Geburtstages dieses vielseitigen Künstlers und Dichters, der lange Zeit in Bern gelebt hat, werden im Rahmen dieser Schau die Wechselbeziehungen zwischen visuellen Darstellungsformen wie Malerei, Zeichnung, Graphik und Collage und literarischen Beiträgen, zwischen Bild und Wort ins Zentrum gerückt. In der Bundesstadt ist übrigens die Stiftung Otto Nebel domiziliert. (9.11.2012 – 24.2.2013/Kuratorin Therese Bhattacharya-Stettler, zusammen mit weiteren Kuratoren und Kuratorinnen)
Und ganz zum Abschluss des Jahres betreten Johannes Itten und Paul Klee die Ausstellungsräume. Anhand von berühmten Schlüsselwerken wird die künstlerische Auseinandersetzung der beiden mit Farben zum Thema gemacht. Erstmals wird hier aufgezeigt wie sehr sich die beiden gegenseitig beeinflusst haben. Die Wege führen nach Weimar ins Bauhaus, wo sich auch die Wege der beiden gekreuzt haben. Der ganze Farbkosmos, der sowohl Klee als auch Itten im Banne hielt, wird in der Ausstellung in zahlreichen Werken in verblüffender und faszinierender Art lebendig und aufgenommen. Die Ausstellung erfolgt auch in Zusammenarbeit mit dem Zentrum Paul Klee, das ebenfalls die Bauhaus-Zeit Klees thematisiert. Ein Zeichen also der freundschaftlichen Beziehungen der beiden Häuser. (30.11.- 31.3. 13/Kuratoren: Professor Christoph Wagner, Regensburg, und Monika Schäfer, Kunstmuseum Bern).
Beachtung verdienen zudem Präsentationen mit Werken aus der Sammlung des Kunstmuseums Bern. So steht eine Hommage an „Herbert Distel“ auf dem Programm (28.8 – 7.12.). Unter der Bezeichnung „Outsider-Art“ findet ganzjährig eine Präsentation von Werken aus der Sammlung der Adolf Wölfli-Stiftung statt.
Digitale Kunstvermittlun
Neben der analogen Kunstvermittlung erhält die digitale Vermittlung einen immer grösseren Stellenwert. Sicher ein Zeichen der unaufhaltsamen technologischen, medialen wie gesellschaftlichen Entwicklung, der sich Kunst nicht verschliessen darf. Bern hinkt nicht hinten nach. Das Kunstmuseum Bern beschreitet 2012 auch neue Wege, um mit einer noch intensiveren Nutzung von Social Media Kanälen ein breiteres und wohl weitgehend jüngeres Publikum mit Kunst und Künstlern und dem Museumsleben vertraut zu machen. Ab Februar wird die App museen bern, vom Kunstmuseum Bern und dem Zentrum Paul Klee gemeinsam initiert, gratis im App Store erhältlich sein. Ferner wird die Facebook-Seite ausgebaut. Und neu ist das Kunstmuseum auch auf Twitter und Youtube mit Podcasts zu Highlights aus der Sammlung präsent. Und ab Ende Februar ist auch die neue Webseite online. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang noch auf das „Fenster zur Gegenwart“: „Kunstmuseum Bern@PROGR“ wo das ganze Jahr über wechselnde Präsentationen zu sehen sind.