Zwei Vertreter der «Letzten Generation» hatten sich auf einer Strasse festgeklebt und sollten deswegen vor Gericht erscheinen. Statt dessen zogen sie es vor, eine Auszeit in Asien zu nehmen. Das gab eine riesige Aufregung, nicht nur in der Boulevard-Presse.
Selbst die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» fühlte sich zu einer Stellungnahme herausgefordert. In ihrer Wochenendausgabe titelte sie: «Lieber keine Moral als eine doppelte!» Fast klang es so, als sei sie von der «Letzten Generation» enttäuscht.
Das «Klimaschützerpärchen» (FAZ) Marianne und Michael zeigten sich ob des Sturmes aus ihren eigenen Reihen und in den Medien zerknirscht. Diese Reise sei ein Fehler gewesen, und im Übrigen seien sie gar nicht nach Bali, wie immer behauptet werde, sondern nach Thailand gereist. Und leider seien sie von München aus geflogen, anstatt mit Bus und Bahn nach Iran zu fahren, um von dort aus zu starten. – Was diese Einlassungen zur Sache beitragen, erschliesst sich nicht ganz.
Aber die Bilder haben es in sich: sich erst auf der Strasse festkleben, dann ins Flugzeug steigen. Den Weltuntergang predigen, aber noch schnell die Sonnenseiten geniessen. Das Ganze sieht fast so aus, als hätte eine übelwollende PR-Agentur eine knallige Story fabriziert. Aber es waren diese beiden jungen Leute, die für ihre Auszeit einen offenbar günstigen Flug ergattert hatten.
Anstatt sich reflexartig zu empören, kann man auch einmal fragen, warum es so verwerflich sein soll, dass auch radikale Klimaaktivisten einmal die guten Seiten des Lebens geniessen wollen. Die Antwort auf diese Frage liegt auf der Hand: Weil sie doch immer sagen, dass diese Art des Genusses von Übel ist und abgeschafft gehört. Und selbstgerecht, wie sie sind, kleben sie sich nicht nur auf Strassen fest, sondern besudeln Kunstwerke in Museen und attackieren damit das, was sich unserer höchsten Wertschätzung erfreut.
Als Reaktion auf den jetzt geradezu plakativ aufgetretenen Widerspruch könnte statt herablassender Häme eine Art des Mitleids die bessere Reaktion sein. Denn wir wissen doch, dass die symbolischen Handlungen der «Letzten Generation» letztlich nur folgenlose Ausdrücke einer mehr oder weniger tief empfundenen Verzweiflung sind. Und selbstverständlich benutzen die jungen Leute Handys, Tablets und Laptops, ohne lange danach zu fragen, ob diese selbstverständlichen Geräte des Alltags in ihrer Herstellung nicht weitaus schädlicher sind als Flugreisen. Mit einer gewissen Gehässigkeit könnte man darauf verweisen, dass noch kein Computer aus Hülsenfrüchten zusammengesetzt worden ist.
Auch die «letzte Generation» kann nicht wirklich aus einem Lebensstil ausbrechen, dessen Folgen sich mehr und mehr als katastrophal abzeichnen. Schon frühere Generationen haben Versuche dieser Art gemacht, etwa der feinsinnige Anarchist Gustav Landauer, der 1919 formulierte: «Wandern wir aus dem Kapitalismus aus.» Wir wissen, dass diese Versuche gescheitert sind, und wir wissen, dass auch heute wieder vieles scheitern wird, obwohl es noch dringlicher wäre. Aber das ist kein Anlass für Spott und Häme.