Auf die Frage, ob die von der Nato befehligte Koalition in Libyen das vom Weltsicherheitsrat erteilte Mandat überschritten hat, zitierte Ban bloss den Wortlaut der entsprechenden Resolution, ohne Stellung zu beziehen. Hingegen begrüsste er ausdrücklich die Liquidierung Osama bin Ladens durch ein US-Kommando.
Ban will es sich mit keinem Mächtigen verscherzen, denn er strebt seine Wiederwahl an. Das wurde bei seiner jüngsten Russlandreise klar. Fotos belegen, wie der UNO-Generalsekretär dem Präsidenten der Russischen Föderation, Dmitrij Medwedew, tief in die Augen blickte, als er sagte: „Ich möchte wirklich auf Ihre starke Unterstützung und Führung bei der Fortsetzung meiner Arbeit als Generalsekretär zählen können.“ Das war am 22. April im Moskauer Kreml. Damit der Satz nicht unterging, stand er am nächsten Tag neben dem Bild auf der UNO-Webseite. Ban signalisierte damit, dass er sich um eine zweite Amtsperiode bewirbt. Sein erstes Mandat läuft im Dezember aus.
Profil auf schlüpfrigem Grund
Nach vier Jahren Niedrigprofil findet der Koreaner plötzlich laute Worte. „Ban will Präsenz bei der Behandlung politischer Fragen zeigen“, meint ein asiatischer Diplomat. Er habe hart gearbeitet, um das Image eines schüchternen Bürokraten abzulegen. Wichtig für ihn sei, mit den Russen und Chinesen ins Reine zu kommen. Er hatte sich bei einigen Konflikten so eilig auf die Seite der Westmächte gestellt, dass er sich den Zorn Moskaus und Pekings zuzog. Der russische UNO-Botschafter Witalij Tschurkin kanzelte Ban öffentlich als parteiisch ab.
Eines der Streitobjekte ist die Anerkennung Kosovos. Russland, China und sogar einige Mitglieder der EU waren dagegen. Ban stellte sich ohne Notwendigkeit auf die Seite jener Staaten, die in der Abtrennung Kosovos von Serbien das Schlusskapitel der Jugoslawienkriege sehen. Doch bisher haben weniger als ein Drittel der 192 UNO-Mitglieder Kosovo als souveränen Staat anerkannt. Dafür drehten die Russen den Spiess um und proklamierten nach dem Krieg gegen Georgien die„befreiten“ Regionen Abchasien und Süd-Ossetien mit Hinweis auf den Präzedenzfall Kosovo zu unabhängigen Staaten.
Alte Netzwerke
Die Wahl des UNO-Generalsekretärs spielt sich im Sicherheitsrat ab, der dann der Generalversammlung eine Empfehlung erteilt. Um die Gunst der Vetomacht Russland zu erringen, muss Ban Gegenleistungen erbringen. Diese bedeuten oft Postenschacher. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion besetzen die Russen keinen hochrangigen Posten mehr im Generalsekretariat der Weltorganisation. Als Trostpreis erhielten sie die Stelle des Generaldirektors des Genfer Zweitsitzes.
Der Vertrag des Amtsinhabers Sergeij Ordschonikidse läuft dieser Tage aus. Als Favoritin für die Nachfolge des Russen galt die Deutsche Angela Kane. Ein weiterer Russe auf dem Posten kam nämlich aus Proporzgründen nicht infrage, weil seit 2010 der russische Diplomat Jurij Fedotow die UNO-Filiale in Wien leitet.
Zur allgemeinen Überraschung zog Ban kürzlich den Kasachen Kassim-Jomart Tokajew aus dem Hut. Tokajew gehört zum Machtkreis um den autoritären Präsidenten Nursultan Nasarbajew, dem er als Regierungschef und Aussenminister diente. Seine Laufbahn begann aber in Moskau, wo er die Kaderschmieden der Sowjetdiplomatie durchlief. Die alten Netzwerke funktionieren noch immer.
Angriff beim Dinner
Die Wiederwahl von Ban Ki-Moon auf den Stuhl des UNO-Generalsekretärs scheint ziemlich sicher, weil sich bisher kein Gegenkandidat gemeldet hat. Es reicht aber das „Njet“ eines ständigen Mitglieds des Sicherheitsrats, um eine Karriere zu brechen. Der Ägypter Butros Butros-Ghali machte diese Erfahrung 1996 nach einer Amtsperiode. Nicht nur die Russen könnten Ban ihre Stimme verweigern, sondern auch die Chinesen.
Der höchste chinesische UNO-Beamte, Unter-Generalsekretär Sha Zukang, griff seinen Chef bei einem Dinner persönlich an. Er entschuldigte sich später damit, er sei betrunken gewesen. Niemand glaubt jedoch, dass ein chinesischer Spitzendiplomat einen solchen „Faux-pas“ ohne Anordnung aus Peking begeht. Sha hat einen Draht zu den höchsten Stellen des Reiches der Mitte. Russland und China werden sich aber nicht so rasch auf die Person des nächsten UNO-Generalsekretärs festlegen, sondern Ban eine Weile zappeln lassen.