Präsident Obama spricht konsequent von der Mittelmacht Russland. Er hat Recht, Moskau ist kein globales Machtzentrum mehr. Russland bleibt ein grosses Land, hat aber weder die industriellen Kapazitäten noch die ideologische Ausstrahlung, über welche zumindest die junge UdSSR verfügt hatte.
Begrenztes russisches Drohpotenzial
Putin fehlt insbesondere das Glacis, jene grössere Anzahl Länder, welche – gezwungen oder freiwillig – der UdSSR international in blindem Gehorsam gefolgt waren. Noch nicht einmal die getreuen Verbündeten Weissrussland und Kasachstan, beide mit Anführern aus demselben imperialen Tuch wie Putin, billigen dessen gewaltsame Aggression in der Ukraine.
Natürlich kann auch eine unverantwortliche Mittelmacht international einigen Schaden anrichten, wie dies Russland momentan in der Ukraine tut. Es kann auch noch schlimmer werden, falls die seit 1990 behutsam aufgebauten Dämme zur Kanalisierung und Dämpfung internationaler Konflikte brechen. Neue Konfliktherde könnten so entstehen, von eigener, vertragswidriger Aufrüstung Russlands bis hin zum Bruch der internationalen Front zur Verhütung der iranischen Nuklearbombe.
Achse Moskau-Beijing
Am meisten zu fürchten hat der Westen, also auch die Schweiz, die sich bereits abzeichnende Achse Moskau-Beijing. Aber auch diese wird, im Gegensatz zum 20. Jahrhundert, nicht von Russland, sondern von China vorangetrieben. Jüngstes Beispiel dafür sind die Energieverhandlungen zwischen den beiden Ländern, wo Beijing weitgehend seine Konditionen diktierte.
China ist bereits heute eine unbestrittene Weltmacht. Wirtschaftlich als Nummer drei hinter der EU und den USA, politisch und sicherheitspolitisch als Nummer zwei hinter den USA, im Grossraum Asien-Pazifik und international mit einer Reihe von Klienten, welche in der UNO und anderswo vom chinesischen Notenblatt singen.
Harte Interessenpolitik
Zum aussenpolitischen Instrumentarium Chinas gehört heute auch seine Kulturpolitik. Wegen Zensurmassnahmen der vorgesetzten Stelle in Beijing wurde kürzlich die Eröffnung des parastaatlichen Konfuzius-Institutes an der Universität Zürich vertagt. Dies mag als kleines Muster dessen dienen, was diese Kulturpolitik bedeutet: Chinesisch ist nur, was China sagt und will. Die eigenen Interessen werden immer deutlicher auch international durchgesetzt.
Im grossen Massstab gilt dies insbesondere für Chinas unmittelbare Nachbarschaft, sein «near abroad». In Hongkong ist eben die Hoffnung auf demokratische Experimente im Bannkreis der chinesischen KP geknickt worden. Wie Peter Achten in diesen Spalten hervorgehoben hat, bedeutet das auch den endgültigen Übergang von liebevollen zu schmerzhaften Umarmungen Taiwans durch das Festland. Das ost- und südchinesische Meer wird von Beijing heute unverhohlen zum geschlossenen Mare nostrum deklariert.
Noch sind wir weit weg von einem erneuten Kalten Krieg nach dem Muster 1947-90. Dies allein schon darum, weil China mit dem Rest der Welt, und insbesondere mit dem Westen, so eng wirtschaftlich verbunden ist, wie das Ost und West während des Kalten Krieges nicht einmal ansatzweise waren. Bekanntlich bekriegen sich Staaten umso weniger, je stärker sie wirtschaftlich verbunden sind, weil alle im Konfliktfall nur verlieren können.
Unsichere Perspektiven
Da trifft wohl zu, meistens. Die Zeichen stehen aber schlechter als in den letzten Jahren. Die chinesische KP war seit Tiananmen nie rücksichtsloser bei der Durchsetzung ihres Primates als im Moment. Dies intern und extern. Namhafte Experten sind geteilter Meinung, ob es Präsident Xi Jinping in seiner Antikorruptionskampagne nicht in erster Linie um die Festigung persönlicher Macht geht. Einige vergleichen Xi bereits mit dem Despoten Mao, nicht mehr mit Deng Xiaoping, neben dem immer noch andere mitregierten.
Falls wir im Grossraum Asien-Pazifik wirklich auf eine Eiszeit zutreiben mit China und seinen wenigen bedingungslosen Vasallen (Nordkorea, Kambodscha, Laos) auf der einen Seite, und dem von den USA geführten Block aller anderen Regionalstaaten von Japan bis Australien auf der anderen, dann wird sich der globale Horizont deutlich verdüstern. Militärische Konflikte in der Region sind dann ebensowenig auszuschliessen wie direkte Auswirkungen auf den Rest der Welt. Vor einem entsprechenden Handelskrieg wird auch ein bilaterales Freihandelsabkommen keinen Schutz bieten.