Da war der mächtige Schweizer Gewerbeverband, der anders als einige seiner Sektionen gebieterisch von Bund und SRG einen Plan B verlangte. Da war der Initiant Kessler, der dem Moderator Projer zehn Minuten vor Beginn der No-Billag-Arena die Sendeleitung entreissen wollte – und handkehrum eine abenteuerliche Lesart der Initiative vorschlug („nur Zwangsgebühren verboten, nicht Gebühren“).
Schuss vor den Bug
Da sagten Gäste im Dorfbistro, die Initiative gehe zu weit, aber halbiere die SVP ihr Anliegen auf eine Gebühr von 200 Franken, seien sie zu haben. Von einem „Schuss vor den Bug“ der stolzen SRG dank hohem Ja-Anteil waren auch Initiativ-Gegner zu lesen und zu hören. Kultur- und Sportverbände warnten, es drohe die Echolosigkeit ihrer Disziplinen bei einem Ja – nicht ohne Grund.
Mit ersten neuen Studien meldeten sich soeben auch die Ethikwissenschafter: Sie beklagten Megatrends wie Digitalisierung und Desintegration in den Social Media, wo Bürger und Bürgerinnen als Einzelne angesprochen würden. Mit Nachrichten, Werbung und mit der Unterhaltung würden Inhalte „passgenau“ auf Individuen zugeschnitten.
Merkantile Kiellegung
Demgegenüber offerieren öffentlich-rechtliche Programme wie die regulierte SRG Inhalte, die (laut Bundesverfassung) Leistungsaufträge, aber auch die Tugenden Sachgerechtigkeit und Vielfalt der Information einhalten müssen. Genau dieses Fundament der Medienqualität verschwände mit dem Ja zur No-Billag-Initiative. Die Initianten haben es kurzerhand gestrichen – wie auch das dreistöckige Beschwerdeverfahren im Programmrecht. Sie übersahen, dass der eigentliche Geltungsgrund des Programmrechts der demokratische Diskurs war: Er legitimiert Mehrheitsentscheide im demokratischen Verfahren. Oder haben sie es gestrichen, weil die Jahresberichte den im Initiantenmenu so häufigen Vorwurf des Linksksdralls widerlegen? Die unabhängige Beschwerdeinstanz UBI, eine Art Verwaltungsgericht des Bundes für Programmstreitigkeiten, behandelte 2016 genau 4 Zuschauerbeschwerden gegen Radio-, 14 Zuschauerbeschwerden gegen Fernsehsendungen. Dabei erkannte sie insgesamt in ausführlich begründeten Urteilen ganze vier mal auf eine Programmrechtsverletzung, 20 mal sprach sie die Programmmacher frei . Das lässt wie auch die Meinungsumfragen eine hohe Programmqualität vermuten.
Das Tüpfelchen auf dem Initiativtext ist nicht die Befreiung der bisher angeblich gefesselten SRG, die so anstelle von Gebühren die Zuneigung von Radiohörern und Fernsehzuschauern in freiwillige Abonnementsbezahlungen umleiten könnte. Das würde nach Meinung der Initianten auch für französisch- und italienisch-sprachige Minderheiten gelten – die allenfalls wegen der Sprachenartikel in der Bundesverfassung etwas Anschubhilfe erwarten dürften (trotz Subventionsverbot im Initiativtext?). Konzessionen würden künftig versteigert, nicht mehr zwischen Bund und Privatsendern ausgehandelt mit Service-Public-Verpflichtungen, sondern an Höchstbietende verschachert. Das offenbart die rein merkantile Kiellegung der No-Billag-Initiative.