Zwei der höchsten Instanzen der Schweizer Rechtspflege machen mit Skandalen von sich reden. Schon länger umstritten ist Bundesanwalt Michael Lauber. Statt das organisierte Verbrechen im internationalen Fussballgeschäft zügig und rücksichtslos aufzuklären, wie die amerikanische Justiz es 2015 vor staunendem Schweizer Publikum mit einer Serie von Verhaftungen im Zürcher Nobelhotel Baur au Lac vorexerziert hat, schoss Lauber sich selbst ins Knie. Durch mehrere ominöse Geheimtreffen mit Fifa-Boss Infantino und dessen Entourage manövrierte er als oberster Ankläger des Landes sich selber ins Zwielicht. Die Meetings sind nicht protokolliert und an eines davon wollen sich die Beteiligten nicht mal erinnern. Omertà statt Aufklärung!
Die Aufsichtsbehörde für die Bundesanwaltschaft AB-BA hat Laubers Amtsführung untersuchen lassen und wirft ihm schwerwiegende Verstösse vor. Ihre Sanktionsmöglichkeiten sind jedoch fast schon rührend: Als schärfste Massnahme hat die AB-BA Laubers Gehalt einmalig für ein Jahr um acht Prozent gekürzt. Dagegen wehrt sich Lauber juristisch. Die Angelegenheit ist hängig.
Die konfuse Strafverfolgung durch die Bundesanwaltschaft hat nun zur Folge, dass der international stark beachtete Fifa-Prozess gar nicht erst stattfindet. Der Fall ist, nachdem fünf Jahre lang ermittelt wurde, jetzt endgültig verjährt.
Kaum weniger peinlich als die Vorstellung, welche die Anklagebehörde geboten hat, ist jene des Bundesstrafgerichts in Bellinzona. Vor fünf Monaten schickte es die Anklage in Sachen Fifa nach Bern zurück und forderte Laubers Truppe auf, sich zu einem Sachverhalt zu äussern, der gar nicht Gegenstand der Klage war. Da drängt sich der Eindruck auf, man habe vielleicht gar nicht so recht Lust gehabt, den Prozess durchzuführen.
Das Gerichtspersonal in Bellinzona war offenkundig schon längere Zeit schlecht in Form und vorwiegend mit sich selbst beschäftigt. Dieses Bild ergibt jedenfalls ein Bericht der Verwaltungskommission des Bundesgerichts, das sich mit diversen Missständen beim Bundesstrafgericht beschäftigen musste. Ihr am 20. April publizierter Untersuchungsbericht stellt diesem kein gutes Zeugnis aus: Die Generalsekretärin des Gerichts soll wegen mangelnder Eignung entlassen werden. Zudem sehen sich die Aufseher veranlasst, die Richter, Richterinnen und Angestellten mit Nachdruck zu einem anständigen und sozial kompetenten Umgang untereinander anzuhalten. Wie dieses zerstrittene Gericht einen anspruchsvollen und unter weltweiter Beobachtung stehenden Prozess hätte stemmen wollen, mag man sich kaum ausmalen.
Die Skandale um Lauber und die Missstände am Bundesstrafgericht sind katastrophal für die Rechtspflege und das Renommee der Schweiz. Die Vereinigte Bundesversammlung hat Lauber trotz der bekannten Verfehlungen im Herbst 2019 knapp wiedergewählt. Das hat sich als grober Fehler herausgestellt. Immerhin laufen jetzt in der Gerichtskommission des Parlaments Bemühungen, Lauber abzuwählen. Das ist gut; aber es muss unverzüglich geschehen – und nicht in allenfalls zwei Jahren, wenn Lauber dann endlich alle Rechtsmittel gegen die AB-BA ausgeschöpft hat. Der Mann ist fehl am Platz und klammert sich mit aller Macht an sein Amt. Die Politik darf nicht länger zuschauen.