Wenn man über Armin Wertz in einem einzigen Satz etwas sagen sollte, dann wäre es dieser: Der Mann ist einer, der dorthin geht und berichtet, wo mächtige Interessengruppen etwas zu verbergen haben. In einem seiner Mails schrieb er mir:
„Demnächst will ich mir in Ostjava einmal die Berge von Haifischflossen anschauen, die dort gestapelt und anschließend via Surabaya in Hongkong, Taiwan und China in Suppen verwandelt werden. Den Artikel möchte ich dann zusammen mit dem Stück über die Alpinisten am Cho Oyu einem Magazin anbieten, das mir empfohlen wurde, das ich aber nicht kenne.“
Rastloser Recherchierer
Armin Wertz ist nicht Journalist von Beruf, er ist – der abgenutzte Ausdruck sei hier einmal erlaubt – Journalist aus Leidenschaft. Und das Leiden dieser Leidenschaft hat ihn geprägt. Es ist aber auch der Brennstoff, der ihn in Bewegung hält. Mit 68 ist er immer noch der rastlose Recherchierer, der engagierte Reporter, der überall hingeht, wo Unrecht geschieht oder wo sich einige wenige auf Kosten vieler Armer bereichern.
Ich kann mich nicht erinnern, jemals einen Journalisten getroffen zu haben, der in dieser Intensität auf die Historie fokussiert ist, vor allem auf die Kolonialgeschichte und ihre Spätfolgen. Wenn ihm von dem Tsunami der 68er-Bewegung etwas geblieben ist, dann ist es dies: das dialektische Denken. Bei jedem politischen Umbruch, bei jedem Konflikt, sei es in Israel, im Irak oder in Syrien, sieht er, was vorher war, und stellt die Dinge in einen Zusammenhang.
In einem seiner Mails sagte er über die Politik der NATO-Länder: „Dabei tun sie ja alles, um den Terrorismus zu fördern. William Dalrymple, Spross einer alten britischen Dynastie von Indien- und Islam-Kennern, beschrieb das vor ein paar Jahren so: The British discovert that nothing so easily undermines the moderate aspect of Islam than aggressive Western intrusion in the East.“
Armin ist ein Viel-Leser. Er schickt mir Zeitungsartikel aus allen Teilen der Welt, er leistet eine unermüdliche Arbeit der politischen Analyse. Dabei kommt ihm zugute, dass er in vielen Weltgegenden zuhause war: Er arbeitete mehrere Jahre in Lateinamerika mit Wohnsitz in Mexiko, dann im Nahen Osten mit Wohnsitz in Jerusalem. Jetzt wohnt er in Jakarta und wird weiter über Südostasien berichten, wenn ihn dann diejenigen, die ihn gefangen halten, einmal wieder freilassen. Wie gross muss die Dummheit von Leuten sein, die glauben, man könnte unangenehme Wahrheiten unterdrücken, indem man Journalisten einkerkert.
Prägende Erfahrungen in Lateinamerika
„Ich habe auch noch ein paar Kassetten“ schrieb Armin vor Kurzem, „Bauern, die auf einer Messe bei Aguilares (El Salvador) singen, Benjo Cruz, der bolivianische Sänger, der sich Che Guevaras Guerilla angeschlossen hatte und dann von der Armee umgebracht wurde, ein paar haitianische und auch kubanische Sänger. Ich war ein grosser Fan der Merengue-Musik. Neulich habe ich im hiesigen TEMPO-Magazin so richtig loslegen dürfen gegen die stumpfsinnigen Muslimfanatiker, die hier gegen Andersgläubige zu Felde ziehen.“
Wir kennen uns seit rund dreissig Jahren. Ich kannte ihn, bevor er mich kannte. Das muss wohl in den achtziger Jahren in Mexiko-Stadt gewesen sein. Armin arbeitete dort als Korrespondent verschiedener Zeitungen, ich – neben vielen anderen Jobs – als Reporter der Menschenrechtskommission (CDHES) von El Salvador.
1982 geht einer meiner Freunde, der holländische Journalist Koos Koster, mit einem Fernsehteam nach El Salvador, um für einen holländischen Sender über den Bürgerkrieg zu berichten. Er dreht erst mit der Armee, danach will er mit ihren Feinden drehen, mit der FMLN-Guerilla in den sogenannten „zonas liberadas“. Er bittet einen deutschen Journalisten, den er im Hotel kennengelernt hat, das Team zu dem vereinbarten Treffpunkt zu fahren. Der Deutsche fährt die vier Holländer zu dem Kontaktpunkt nördlich der Hauptstadt. Als er ins Hotel zurückkommt, hört er, dass die vier Journalisten mit der Guerilla-Kolonne in einen Hinterhalt der Armee gelaufen und erschossen worden sind. Dieser deutsche Journalist ist Armin Wertz. Später haben wir oft über diese Jahre in Lateinamerika gesprochen. „Wir waren sehr jung und haben das Risiko unterschätzt“, sagte Armin.
Das letzte Mail, das er mir vor seiner Gefangennahme in Syrien geschickt hat, ist vom 19. April 2013.
„Ich habe in letzter Zeit viel für Journal 21 geschrieben. Das lag zum einen daran, dass ich relativ viel Zeit hatte, und zum andern, dass da in Lateinamerika ein paar schlimme Gesellen endlich vor den Kadi kommen. Dass das in den Tageszeitungen, die ja einst voll waren mit Berichten über die Rios Montt, Duvalier, Videla oder Galtieri, nicht einmal eine Meldung wert war, hat mich schon geärgert.“