„C’era una volta l’Umbria rossa“, schreibt die linksliberale Römer Tageszeitung „La Repubblica“ am Montagmorgen. Es war einmal das rote Umbrien.
Die mittelitalienische Region mit ihrer Hauptstadt Perugia war 50 Jahre lang von den Linken regiert worden. Zusammen mit der Toscana und der Emilia Romagna gehörte Umbrien zum „roten Italien“, das allen Anstürmen der Rechtsparteien standhielt.
Das ist jetzt vorbei. Bei den Regionalwahlen von diesem Sonntag erzielten die Rechtspopulisten einen eindrücklichen Sieg.
„Wir schicken die Regierung nach Hause“
Donatella Tesei, die Kandidatin einer rechten Allianz, die von Salvinis Lega angeführt wurde, erzielte 57,7 Prozent der Stimmen. Der linke Kandidat, Vincenzo Bianconi, kam auf 37,5. Prozent.
Zum rechten Bündnis, für das Donatella Tesei antrat, gehören auch die postfaschistischen „Fratelli d’Italia“ und Silvio Berlusconis „Forza Italia“.
„Wir schicken die Regierung nach Hause“, kommentiert Giorgia Meloni, die stets laute Anführerin der „Fratellli“. Sie betont: „Jetzt befreien wir Italien.“
Der Ministerpräsident – ein „Dreikäsehoch“
Salvini spricht von einem „historischen Sieg“, der „schwere Konsequenzen für die Regierung in Rom“ haben wird. „Die Italiener lieben die Verräter und Sesselkleber nicht“, sagt er. Den in Rom regierenden Ministerpräsidenten Giuseppe Conte bezeichnet er als „Omino“, was für die Italiener gleichbedeutend ist mit „Dreikäsehoch“ oder „Knirps“.
Auch Berlusconi, dessen Forza Italia zu einer Krümelpartei geworden ist, jubelt: „Die Rechte hat die Pflicht und das Recht, Italien zu regieren.“ Und der Forza-Italia-Politiker Antonio Tajani, ehemaliger Präsident des Europäischen Parlaments, sagt: „Die Italiener wollen eine Mitte-rechts-Regierung.“ Tajani war kürzlich mit der Bemerkung aufgefallen, dass Mussolini viel Gutes erreicht habe.
Jeder zweite Umbrier wählt rechtspopulistisch
Salvini hatte nach seinem Sturz im Sommer leicht an Popularität verloren, obwohl er unermüdlich durchs Land zieht und seine Gegner mit rüden Worten attackiert. Seine Propaganda-Maschinerie läuft auf Hochtouren. Das jetzige Resultat in Umbrien bestätigt ihm, dass er auf dem rechten Weg ist.
Die Lega kam jetzt in Umbrien auf 38 Prozent der Stimmen. Die mit ihr ideologisch verwandten Fratelli d’Italia erzielten einen eigentlichen Exploit und verdoppelten ihre Stimmenzahl. Die Fratelli verbuchten 14 Prozent der Stimmen und liessen die Cinque Stelle und Forza Italia weit hinter sich. Zusammen also kommen die Rechtspopulisten auf 52 Prozent der Stimmen. Also: Jeder zweite umbrische Wahlberechtigte stimmt für eine sehr rechtsstehende Partei.
Unterstützt wurde Salvini im Wahlkampf einmal mehr von den neofaschistischen Organisationen „Forza Nuova“ und „Casa Pound. Und wieder distanzierte sich der Lega-Chef nicht klar von diesen beiden rechtsextremen Organisation, die mit Hitler-Gruss und ausgestreckten Armen durchs Land ziehen.
„Gescheitertes Experiment“
Der sozialdemokratische „Partito Democratio“ (PD) und die Cinque Stelle, die in Rom gemeinsam die Regierung bilden, lecken sich die Wunden. Sie waren auch gemeinsam in die umbrischen Regionalwahlen gezogen – mit desaströsem Ergebnis.
Die Fünf Sterne haben kurz nach der Bekanntgabe des Ergebnisses in Umbrien die Allianz aufgekündigt. Der „politische Chef“ der Sterne, Aussenminister Luigi Di Maio, sprach von einem „gescheiterten Experiment“. „Wir erreichen bessere Ergebnisse, wenn wir allein in die Wahlen ziehen“, betonte er. Auf nationaler Ebene jedoch, erklärte Di Maio, werde der Pakt mit den Sozialdemokraten für mindestens weitere drei Jahre Bestand haben. Die 5 Sterne, die bei den nationalen Wahlen vor gut anderthalb Jahren 32 Prozent der Stimmen erhalten hatten, fielen jetzt in Umbrien auf knapp 8 Prozent zurück.
„Keinen Einfluss auf die Regierungsarbeit in Rom“?
Die Sozialdemokraten machen vor allem ihre ewige innere Uneinigkeit für das Ergebnis verantwortlich. Dass der frühere linke Ministerpräsident Matteo Renzi mit „Italia Viva“ eine eigene Formation gründete und sich faktisch vom PD abspaltete, trug nicht zur Glaubwürdigkeit der Linken bei.
Die Wahlen in Umbrien waren der erste Test für die seit kurzem amtierende rot-gelbe Regierung in Rom (gelb ist die Parteifarbe der 5 Sterne). Ministerpräsident Giuseppe Conte begnügte sich mit dem Kommentar, er werde das umbrische Ergebnis genau analysieren. „Es hat jedoch keinen Einfluss auf die Regierungsarbeit in Rom“, erklärte er.
Auf der Seite der Sieger
Natürlich sagen jetzt Kommentaren, die Rechtspopulisten könnten nur gebremst werden, wenn die Regierung in Rom Resultate liefere. Doch kaum jemand rechnet ernsthaft damit, dass diese Regierung sozusagen über Nacht das kranke Land aufrichten kann. Dazu kommt, dass man dem völlig unerfahrenen Polit-Personal der Cinque Stelle wenig zutraut. Eine „clara 1401“ kommentierte in der Turiner Zeitung „La Stampa“: „Ihr seid zu nichts fähig und kehrt dorhin zurück, woher ihr kamt: ins Nichts.“ Viele Italiener sind ungeduldig. Sie erwarten schnelle Ergebnisse. Die Populisten versprechen sie.
Obwohl Umbrien mit seinen 900’000 Einwohnern eine kleine Region ist, könnte das Ergebnis weitreichende Folgen für ganz Italien haben. Der Erfolg in Umbrien beflügelt die Rechtspopulisten und könnte für viele Italienerinnen und Italiener ansteckend wirken. Man steht gerne auf der Seite der Sieger. Oder wie es ein italienischer Journalist in Rom heute ausdrückt: Die italienische Herde ist schon immer dem Sieger gefolgt.
Hochprofessionelle Kommunikationsspezialisten
Salvini und die Seinen denken schon weiter. Im Dezember folgen Regionalwahlen in Kalabrien, dann im Januar in der „roten“ Emila Romagna und später in Kampanien, Ligurien, Marken, Apulien, Toskana und Veneto. Salvini will in all diesen Regionen abräumen und dann die Regierung in Rom in die Knie zwingen.
Schon jetzt bearbeitet er mit einem Stab hochprofessioneller Kommunikationsspezialisten diese Regionen. In den sozialen Medien hat er 6,1 Millionen Followers. Täglich, manchmal fast stündlich, kommentiert er Ereignisse aller Art. Alles wird per Livestream auf Facebook gesendet, vor allem das Bad in der Menge. Immer wieder Selfies, Baby-Schütteln, Händeschütteln, alte Leute umarmen.
„Pieni poteri“: volle Macht
Und was will Salvini? Er will Italien grundlegend umkrempeln. Seine Wortwahl und seine Gesten erinnern oft an Mussolini. Er wolle „einen Kreuzzug gegen das Böse“ durchführen. Seine Sprache schockiert: „Die Ratten sind leichter loszuwerden als die Zigeuner“, sagte er einmal. Seine Sympathien für das „illiberale“ Regime in Ungarn sind bekannt. Marine Le Pen und Wladimir Putin bezeichnet er als Freunde und „Helden“. Das Heil sieht er in einer starken Exekutive. Die Macht des Parlaments will er beschneiden. Den Präsidenten will er vom Volk wählen lassen. Und natürlich empfiehlt er sich schon jetzt selbst für dieses hohe Amt. Er will, wie er offen sagte: „pieni poteri“: volle Macht.
Das kleine Umbrien mit seiner romantischen Landschaft, dem Trasimenischen See, seinen edlen Weinen und mittelalterlichen Dörfern sieht er als neuen Ausgangspunkt für seinen Weg nach oben: nach ganz oben.