Jesus Christus war ein Jude.
Dieser Sachverhalt wird von vielen Christen übersehen, vergessen oder verdrängt.
Wer möchte schon einen Juden zum Leitstern haben?
Jesus, ein Wanderprediger, war bestimmt ein frommer Jude. Was dann aus seinem Leben und Wirken, wie die Evangelisten es überliefert haben, entstand, oder vielmehr gemacht wurde, steht im Gegensatz zu den fundamentalen religiösen Überzeugungen eines Juden, somit auch des Juden Jesu, und es hätte ihn entsetzt.
Da ist zunächst das christliche Dogma, dass Jesus Gottes Sohn sei. Der jüdische Glaube, somit der Glaube Jesu, basiert auf dem absoluten Monotheismus. „Du sollst neben mir keine anderen Götter haben“, lautet das erste der zehn Gebote. Damit grenzte Moses sein Volk von allen andern Stämmen und Völker ab, die damals in jener Gegend lebten.
Das Dogma ist festgeschrieben in dem kurzen Gebet, das auf hebräisch nur sechs Worte umfasst und mit den Worten „Sch’ma Yisrael“ beginnt. Auf deutsch lautet es: „Höre Israel, Yahve ist dein Gott und Yahve ist einzig.“ (5. Moses 6:4) Jeder Jude sollte dieses Gebet beim Einschlafen, beim Aufwachen und als letzte Worte vor seinem Tod sprechen. Jesus hat dies als frommer Jude höchstwahrscheinlich getan.
Die Einheit aus dreierlei
Die Vorstellung, dass Gott einen Sohn haben könnte, der zur Rechten Gottes auf dem Himmelsthron sitzt, ist für einen Juden undenkbar und eine Häresie und wäre dies auch für Jesus gewesen. Die Warnung vor solcher Häresie ist im 5. Buch Moses mehrmals drastisch festgehalten, zum Beispiel 6:14-15: „Du sollst nicht andern Göttern nachfolgen, damit nicht der Zorn deines Gottes über dich ergrimme und dich von der Erde vertilge.“
Damit lässt sich nicht spaßen, besonders nicht im Umgang mit einem Gott, der schnell erzürnt und grimmig straft. Und das letzte, was sich Jesus gewünscht haben dürfte, ist die Vertilgung seines Volkes. Gewiss, er sprach von Gott als von seinem Vater; aber er tat dies bestimmt im Sinne des Glaubens, dass alle Menschen Kinder Gottes sind – ein Glaube, den er in seinen Reden ständig ausdrückte, zum Beispiel im „Vater unser … “, das er seine Jünger lehrte (Matthäus 6:6-14).
Nun bezeichnet allerdings auch das Christentum den Monotheismus als Grundlage seiner Lehre; doch bei ihm besteht diese Einheit aus dreierlei: einem Vater, einem Sohn und einem heiligen Geist. Die christliche Theologie versteht diese Dreieinigkeit nicht als aus drei individuell geprägten Teilen bestehend, sondern als eine Wesenseinheit aus drei Aspekten einer einzigen Glaubensvorstellung (grob ausgedrückt).
Die katholische Kirche hält sich nicht ans Bilderverbot
Aber wie so oft divergieren hier Theologie und Praxis. Das zeigt sich in der christlichen Kunst. Immer werden die drei Teile gesondert dargestellt, zum Beispiel Jesus am Kreuz oder als Kind in den Armen Marias oder zur Rechten Gottes auf dem Himmelsthron mit dem heiligen Geist symbolisch dargestellt über den beiden schwebend.
Das führt zu einem zweiten Bruch des Christentums mit einem Tabu der Religion Jesu, dem Bilderverbot: „Du sollst dir kein Bildnis machen von deinem Gott noch eine Darstellung von irgendetwas am Himmel und auf der Erde..“ (5. Moses 20:4), wobei Luther das im hebräischen Text stehende Wort „Skulptur“ mit Bildnis übersetzte. Auch damit, mit dieser Abgrenzung vom Götzendienst der Nachbarvölker, gab Moses seinem Volk eine eigenständige kulturelle Identität. Ganz abgesehen davon, dass damit die Unvorstellbarkeit, die Transzendenz Gottes festgehalten ist.
Die katholische Kirche hat sich nicht an das alttestamentarische Bilderverbot gehalten. Das geschah teils aus werbetechnischen Überlegungen, teils um dem Volk, das des Lesens unkundig war und von der Kirche unkundig gehalten wurde, Inhalte der Bibel vermitteln zu können. Sie regt die Bilder- und Skulpturenverehrung an, pflegt und fördert sie und bewirkte und finanzierte infolgedessen in der Vergangenheit die Schaffung großartiger Kunstwerke.
Immer neue Interpretationen
Jesus jedoch hätte sich über die von Gott, ihm und Maria angefertigten Bilder und Statuen entsetzt und hätte sie voraussichtlich zu zerstören versucht. Entsetzt hätte er sich auch darüber, dass Menschen solche Bilder und Statuen anbeten, denn Jahwe, sein Gott, gebietet: „Du sollst andere Göttern nicht anbeten.“ (5. Mos. 20:5) Tatsächlich drängt sich die Frage auf, wodurch eigentlich eine Holzschnitzerei, die einen Gekreuzigten oder eine Mutter mit Kind darstellt, sich von dem Idol eines Urwaldbewohners unterscheidet?
Die Reformatoren kehrten dann teilweise zum Bilderverbot zurück. Während Luther den Bilderschmuck in den Kirchen in begrenztem Umfang zuließ, verbieten ihn die reformierten Kirchen.
Ich bin mir bewusst, dass ich vieles im Hinblick auf das Denken und Verhalten Jesu angenommen habe und ihm vieles zuschreibe, ohne es beweisen zu können. Aber was lässt sich in der Bibel beweisen? Und was in der Bibel ist wahre Begebenheit? Die Bibelexegese ist voll von immer neuen Interpretationen und Umdeutungen. Ich mache mir also kein schlechtes Gewissen über mein unwissenschaftliches Vorgehen.