«Es ist alles schneller gegangen, als wir geglaubt haben.» Diesen Satz der Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf in der NZZ muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Der Laie könnte annehmen, dass die Schweiz als Mitglied der OECD durchaus auf dem Laufenden sei, was Entwicklungen beim Automatischen Informationsaustausch (AIA) betrifft. Zudem verfügte die Eidgenossenschaft ja über ein Vetorecht, denn die Beschlüsse in der OECD müssen einstimmig gefällt werden.
Aber damit beweist der Laie wohl einmal mehr, dass er nicht über die weitblickende Weisheit unserer Landesregierung verfügt. Worum geht es eigentlich?
Der AIA als Machtinstrument
Mit dem AIA sollen alle teilnehmenden Staaten Zugriff auf Kontostände, Kapitalgewinne und Verkaufserlöse ihrer Steuerzahler im Ausland erhalten. Ausgearbeitet wurden die Inhalte des AIA durch das «Global Forum». Diese der OECD untergeordnete Organisation ist eine der vielen demokratisch völlig unlegitimierten Dunkelkammern, die supranationale Rahmenbedingungen festlegen, denen sich alle Teilnehmer am globalisierten Markt zu unterwerfen haben. Natürlich ungeachtet nationaler Gesetzgebungen. Oder Peanuts wie Datenschutz oder Privatsphäre.
Das «Global Forum» nimmt sich auch heraus, schwarze Listen von sogenannten Steueroasen zu führen und diese zur Ordnung zu rufen. Die Schweiz ist ständig drauf, bezeichnenderweise die USA als grösste Steueroase und Geldwaschmaschine der Welt nicht. Während die Schweiz mit einer «bedingten» Bewertung in der «Überprüfung» (http://www.oecd.org/tax/transparency/global_forum_background%20brief.pdf) auf die Strafbank gesetzt wurde, bekommen die USA ein lobendes «weitgehend konform». Das wird selbst von der NGO «Tax Justice Network», der man nun wahrlich keine Sympathie für Beihilfe zur Steuerhinterziehung nachsagen kann, kräftig kritisiert. Aber was kümmert das eine Weltmacht.
Schnüffelmonster Fatca
Die USA haben bekanntlich bereits das nationale Gesetz Fatca erlassen. Dieses Schnüffelmonster erlaubt ihnen den Zugriff auf Kontodaten sämtlicher US-Steuerpflichtiger weltweit. Unabhängig von deren Steuersitz, unabhängig von lokalen Steuergesetzen, selbst unabhängig davon, ob es sich um US-Bürger handelt. Die Schweiz hat Fatca bereits zugestimmt, ohne Reziprozität zu verlangen, also Gegenrecht. Darauf wurde mit dem absurden Argument verzichtet, dass das ja dann mit dem AIA schon komme.
Die Umsetzung von Fatca kostet die Finanzdienstleister weltweit Multimilliarden und wird nach glaubhaften Berechnungen des US-Parlaments jährlich lediglich einen einstelligen Milliardenbetrag in die Kassen des US-Fiskus spülen. Es handelt sich also nicht um Kampf gegen Steuerhinterziehung, sondern um ein Machtinstrument, mit dem der verlumpende US-Staat sich Einblick in die Vermögensverhältnisse seiner Bürger verschaffen will.
Was den USA recht ist, muss uns doch billig sein, dachten die Staaten der verlumpenden EU schon lange. Ihr Modell heisst AIA. Nun stellte sich die Schweiz offiziell immer auf den Standpunkt, dass eine allfällige Zustimmung zum AIA und damit, zunächst bezüglich ausländischer Kontenbesitzer, die völlige Aufhebung des bis heute existierenden Bankkundengeheimnisses, nur unter zwei Bedingungen denkbar sei. Erstens die damit verknüpfte Regelung der sogenannten Altlasten. Zweitens werde die Schweiz erst dann zustimmen, wenn alle anderen grossen Finanzplätze, also in erster Linie USA und England, auch dabei sind. Aber: Schon wieder ist «alles schneller gegangen, als wir geglaubt haben.»
Sagenhaftes Verhandlungsgeschick
Unabhängig von den weiteren Implikationen des AIA in Richtung gläserner Bürger, als Vorbereitungshandlung zu möglichen Enteignungen: Alle diese supranationalen Regelwerke sind Bestandteil eines Konkurrenzkampfes zwischen Staaten und Staatenbündnissen. Hier will jeder das Beste für sich rausholen, sich Vorteile verschaffen, Mitbewerber ausbremsen. Das ist normal und erlaubt. Im Rahmen eines Wirtschaftskriegs.
Geradezu sträflich dumm ist aber, wenn sich die Schweiz als Kleinstaat von den Grossen über den Tisch ziehen lässt. An Irrsinn grenzt es, wenn die Schweiz nicht einmal ihr Vetorecht als Druckmittel einsetzt. Wenn die Schweiz nicht einmal auf ihren ursprünglichen Bedingungen für eine Unterwerfung unter den AIA besteht.
Wo soll das enden?
Mit dem Wort Landesverrat soll man mit gebotener Vorsicht umgehen. Aber von einem sich abzeichnenden Verrat an vitalen Interessen des Finanzplatzes Schweiz kann hier ohne Zögern gesprochen werden. Leider hat das inzwischen Methode. Eine Regierung, die Fatca ohne jede Leistung zustimmt, was bedauerlicherweise vom Parlament durchgewinkt wurde, das wohl vom mutigen und erfolgreichen Kampf gegen die Lex USA erschöpft war, wird bei weiteren Verhandlungen nicht mehr ernst genommen.
Obwohl die Schweiz zu den wichtigsten und grössten Finanzplätzen der Welt gehört (noch), wird sie leider zu recht als Verhandlungspartner vom Tisch gelacht. Macht sie allenfalls Vorschläge oder Einwände, wird ihr zugeraunzt: «Die Antwort ist Nein, was war schon wieder die Frage?» Das ist jämmerlich, kläglich, beelendend. Aber leider bittere Realität.