Über Krieg, Zeitenwende und Aufrüstung diskutiert Tim Guldimann mit Sara Nanni, der sicherheitspolitischen Sprecherin der Grünen im Bundestag, und Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie.
Auf die Frage, wie sie die historische Wende des russischen Angriffskrieges erlebt haben, möchte Sara Nanni «die These, dass das eine Wende war, ein bisschen aufweichen». Zur pazifistischen Vergangenheit der Grünen sagt sie: «Natürlich, es gab starke radikal pazifistische Teile in unserer Bewegung, aber es gab immer auch die pragmatisch pazifistischen Teile.»
Hans Christoph Atzpodien war überrascht von der Entschiedenheit des Bundeskanzlers. Zuvor sah er seine Arbeit «als den unpopulärsten Job Deutschlands». Vor dem Februar 2022 gab es Banken, die «unter dem Drängen des Green Deal (…) zum Teil gesagt haben, wer die Bundeswehr beliefert, der kriegt von uns keine Bankgarantie mehr».
Bei Rüstungsexporten vergehen, so Atzpodien, zwischen Handschlag und Auslieferung manchmal fünfzehn Jahre. Er erwähnt als Beispiel die beabsichtigte Auslieferung von deutschen Booten an Saudi-Arabien. «Dann kam der Mordfall Khashoggi, wo dann Kanzlerin Merkel gesagt hat, wir stoppen jetzt alle Ausfuhren.»
Deshalb plädiert Nanni für Zurückhaltung: «Ich sehe auch, dass die Stückzahlen, die in der Nato abgenommen werden, so gering sind, dass sich die Pro-Stück-Kosten sehr hoch entwickeln, wenn man gar nicht mehr exportiert. (…) Da wäre ich dann im Zweifelsfall bereit, pro Stück mehr zu bezahlen (…) Aber es ist leider so, dass wir da in der Bundesregierung mit dieser Perspektive ein bisschen alleine sind, und da bleibt es dann doch dabei, dass wir als Grüne immer noch die pazifistischste Partei sind.»
Atzpodien hält dagegen: «Wir konkurrieren in Europa mit anderen Rüstungsherstellern, die teilweise Staatsunternehmen sind oder vom Staat ganz klar unterstützt werden und die mit der Hilfe ihrer Regierungen in weitem Umfang exportieren können und dadurch entsteht ein Gefälle im Wettbewerb.»
Eine Europäische Aufrüstung sei nur möglich mit gemeinsamen Projekten, aber die Probleme, so Atzpodien, erleben wir «ja gerade in Sachen Eurofighter. Da gibt es eine Vereinbarung zwischen den vier beteiligten Ländern, dass jedes Land quasi nach eigenem Gusto Exportgeschäfte machen kann und die anderen Länder folgen müssen. Die Briten haben sich entschieden, Eurofighter an Saudiarabien zu liefern, wir gehen nicht mit.» Das provoziere «eine Vertrauenskrise gegenüber Deutschland als Kooperationspartner für künftige Rüstungsprojekte». Eine einheitliche Politik der grossen europäischen Länder in Sachen Rüstungs- und Waffenausfuhrpolitik sei nicht in Sichtweite.
Journal21 publiziert diesen Beitrag in Zusammenarbeit mit dem Podcast-Projekt «Debatte zu dritt» von Tim Guldimann.