Ali Khamenei hat seine schicksalhafte Entscheidung längst getroffen. Unmissverständlich, demonstrativ und tatkräftig zeigt er auch in diesen Tagen, wo er im Ukrainekrieg steht. Das hatte er bereits in Putins Anwesenheit in Teheran verkündet. Es war die erste Auslandsreise des Kremlchefs nach seinem Überfall auf die Ukraine.
War es eine Falle Putins oder eine freiwillige Entscheidung Khameneis: Wie und warum unterwarf sich Iran Russland? Lange werden die Iraner und die Aussenwelt über diese Fragen streiten und spekulieren, ungewiss, ob sie irgendwann zu einem klaren Bild kommen. In der Geschichte hat ja jeder seine eigene Narrative.
Drohnen für Immer
Jedenfalls stehen wir ein Jahr nach Putins Überfall auf die Ukraine einem Fait accompli gegenüber, das viele Experten als einen «Game -Changer» der internationalen Machtspiele bezeichnen.
Jene iranischen Kamikazedrohnen, von denen es immer noch viele schaffen, die ukrainische Luftabwehr zu überwinden und dort die lebenswichtige Infrastruktur zu zerstören, mögen in Putins Militärstrategie nur ein kleiner Puzzlestein sein. Für die Islamische Republik sind diese primitiven Flugkörper aber Überbringer einer eindeutigen Botschaft: Dieser Krieg ist in Wahrheit ein internationaler Militärkonflikt zwischen Nato und Russland und die Teheraner Macht steht unverrückbar und demonstrativ auf Putins Seite. Mehr noch, sollte sich dieser europäische Krieg, wie viele Militärexperten meinen, zu einem langewährenden Stellungs- bzw. Abnutzungskrieg entwickeln, sei die Islamische Republik auch dann darauf vorbereitet.
Um die Angriffe gegen die Ukraine im hohen Tempo fortsetzen zu können, wolle Iran Russland helfen, selber seine Drohnenproduktion zu erhöhen, deshalb werde auf dem russischen Boden eine gemeinsame Fabrik errichtet, berichtete die US-Zeitung Wall Street Journal am 5. Februar. Eine iranische Delegation habe im Januar Russland besucht, um Details zu besprechen, die russisch-iranischen Experten hätten das Fabrikgelände in der russischen Stadt Jelabuga, rund 100 Kilometer im Osten von Moskau, besichtigt, so die Zeitung weiter.
«Nicht nur Russland, sondern 90 weitere Länder der Welt wollen unsere Drohnentechnologie übernehmen», sagte einen Tag später Ayatollah Hassan Mussavi Shali, Präsident der Akademie für strategische Studien und Berater des Geheimdienstministeriums.
Wer die anderen 89 Länder sind, die ihren Drohnenbedarf aus dem Iran decken wollen, verriet er nicht, darum ging es auch nicht, der Geistliche wollte offenbar nur die besondere Beziehung Irans zu Russland relativieren.
Verbunden für immer und überall
Das Netz der russisch-iranischen Beziehung ist inzwischen aber so dicht geknüpft, dass solche nebulösen Erklärungen das kaum verdecken können. Eine Woche vorher hatte Mohssen Karimi, Vizepräsident der iranischen Zentralbank, verkündet, Iran habe mit 700 russischen Banken ein eigenes elektronisches Transaktionssystem entwickelt, 106 Banken aus 13 weiteren Länder seien diesem System angeschlossen. Der Bankier der Islamischen Republik gibt damit zu verstehen, sein Land sei auf SWIFT nicht angewiesen. Seit 2018 ist Iran aus diesem System des internationalen Zahlungsverkehrs ausgeschlossen.
Als ob ein langersehnter Wünsch in Erfüllung ginge, meldete Tasnim, die Nachrichtenagentur der Revolutionsgarden am 15. Januar, schon in diesem Jahr werde Russland Kampfjets vom Typ Suchoi-35 liefern und zitierte dabei Shahriar Heidary, den einflussreichen Abgeordneten in der Kommission für nationale Sicherheit mit den Worten, unter den Kampfflugzeugen der Welt sei der russische SU-35 quasi allein auf weiter Flur. Ungewiss ob Putin tatsächlich seine Superjets an Iran liefert, solche Meldungen gab es in den letzten Jahren oft, und jedes Mal haben sie sich als falsch erwiesen.
Der tiefe Sumpf
Je mehr der Ukrainekrieg voranschreitet, desto mehr wird eine Prophezeiung wahr, die Khamenei nicht hören wollte. Der «Ukraine-Sumpf», in den Putin Iran hineinziehen wolle, sei eine mörderische, eine schicksalsentscheidende Falle für die Islamische Republik. So warnten in den letzten Monaten offen mehrere hochrangige Politiker, die als wichtige Diplomaten jahrelang dem Gottesstaat gedient haben. Unter ihnen befinden sich unter anderen zwei ehemalige Botschafter Irans in Moskau, ein hochrangiger ehemaliger Kommandant der Revolutionsgarden sowie der ehemalige Ausschussvorsitzende für nationale Sicherheit
Die lange russische Iran-Strategie
Die russische Diplomatie strebte immer die völlige Abnabelung Irans vom Westen an und dieses Ziel habe sie längst erreicht, sagte Ex-Aussenminister Mohammad Jawad Zarif im April 2021, weniger Wochen bevor er seine Position an seinen Nachfolger übergab. Der 63 -jährige Zarif kennt sich im Westen sehr gut aus, er lebte seit seinem achtzehnten Lebensjahr in den USA und hielt sich die meiste Zeit auch dort auf, bis er 2013 zum Aussenminister ernannt wurde.
Seine Beschreibung von Russland als Abnabler zum Westen stammt aus einem langen, siebenstündigen Gespräch, das als Teil einer grossen Oralgeschichte geplant war, die Ex-Präsident Rohani von sich und seinen Regierungsmitgliedern hinterlassen wollte.