Dass der ICE der Deutschen Bahn auch heute nicht nach Zürich
gelangen werde, war bereits dem Internet zu entnehmen gewesen.
Mit Ausgangspunkt Kiel ist er schon in Frankfurt gewendet worden.
Der Ersatzzug der SBB nach Basel besteht aus nichtklimatisierten
Einheitswagen I. Unser Erstklasswagen mit letztem Revisionsdatum
2006 stammt aus einer Lieferung von 1958–1960. Für den S-Bahn-
Verkehr umgebaut, offeriert er wie in der zweiten Klasse vier Sitze
quer, so dass trotz Stosszeit für das um 70 Prozent teurere Angebot
ohne Stehplätze drei Wagen genügen.
Stellwerk-Störung – Wort des Jahres
Der Zugführer entschuldigt das "kurzfristig" bereitgestellte Uralt-
Rollmaterial. Ein Stammreisender beklagt, dass solches auf dieser
Strecke allzu oft geschehe und im Sommer bei geöffneten Fenstern
und hohem Lärmpegel in den langen Tunneln sehr unangenehm sei.
Der ebenfalls betagten Lokomotive genügen die 53 Minuten Fahrzeit
bis Basel (eine Minute Verspätung bei Ankunft, gleich wie bei der
Abfahrt in Zürich) bei einem Durchschnitt von 102 km/h.
Die Reise hat in der Zentralschweiz begonnen. Der Anschlusszug
kommt in Zürich zwar nicht, wie in der Durchsage des Personals
suggeriert, "pünktlich" an, doch gefährden 2 Minuten Verspätung
das rechtzeitige Umsteigen nicht.
Seit die französischen und die britischen Bahnen und auch Eurostar durch den Kanaltunnel sehr hohe, an bestimmte Daten und Züge gebundene Frühbucherrabatte
bieten und "Stellwerkstörung" zum "Wort des Jahres" avancierte,
ist die Zuverlässigkeit der Fahrt nach Basel entscheidend geworden.
Dabei fällt ins Gewicht, dass ab Zürich, im Gegensatz zur Route
über Luzern, eine beinahe gleich schnelle Ausweichroute besteht
(via Bözberg statt durch den Hauenstein-Basistunnel).
In Basel SBB schockiert einmal mehr der arg heruntergekommene
Durchgang zum Elsässer Teil des Bahnhofs. Einer der stündlich
nach Strassburg rollenden erfolgreichen TER-200-Züge holt uns
in die Neuzeit zurück. Das Personal ist um eine pünktliche Abfahrt
bemüht, die indessen um eine Minute überschritten und bis zum
Ziel nicht eingeholt wird. Unser modifizierter Corail-Wagen von
1984 aus einer Serie von über 4000 Fahrzeugen läuft bei 200 km/h
problemlos ruhig.
Grande vitesse ab Strassburg
Der Euro-Duplex-TGV mit Baujahr 2012 von Stuttgart beschleunigt
"à la seconde" aus dem Monumentalbahnhof der Elsässer Metropole,
wie ein Mitreisender begeistert nach Hause meldet, bevor er sein
Handy ausschaltet und für die im TGV übliche, vom Zugspersonal
erbetene diskrete Ruhe sorgt. Aufgrund der Nähe der Gare de l'Est
zur Gare du Nord in Paris ist Strassburg dem Weg über Dijon–Gare
de Lyon vorzuziehen, wenn die Weiterreise durch den Tunnel nach
London erfolgt.
Nach einer Stunde wechselt das Fahrgeräusch zu höheren Tönen. Bis
vor Paris pendelt die Geschwindigkeitsanzeige im Wagen zwischen
270 und 316 km/h. Aufenthaltslos dauert die Fahrt ab Strassburg noch
2 Stunden 19, bis 2016 die 106 km lange, seit 2010 bewundernswert
rasch gebaute zweite Etappe des TGV Est mit dem gut 4 km langen
Vogesentunnel eine weitere Verkürzung von 30 Minuten bringt. Um
22.33 Uhr hält die elegante Doppelstock-Komposition im Pariser
Ostbahnhof sanft 2 Minuten vorzeitig – noblesse oblige.
Mit dem Eurostar durch den Kanaltunnel
Die Check-in-Zeit in der Gare du Nord für den Eurostar nach London
beträgt bloss noch 30 Minuten, und dies mitten in Paris, nicht weit
entfernt auf einem Flughafen. Die Nonstop-Fahrzeit von 2¼ Stunden
gilt bis zum attraktiven Bahnhof St-Pancras mit Umsteigemöglichkeit
zur drittgrössten englischen Stadt Sheffield. Für den Wechsel zu den
Nachbarbahnhöfen Euston (West Coast Main Line) und Kings Cross
(East Coast Main Line) reicht im Normalfall eine halbe Stunde. Nach
exakter Abfahrt in Paris verursacht ein vorausfahrender langsamerer
Zug eine Minute Ankunftsverspätung.
Im 50 km langen Kanaltunnel beschränken sich die im Freien mit 300 km/h verkehrenden Eurostar- Züge auf 160 km/h, um die Geschwindigkeitsdifferenz zu den nur
100 km/h erreichenden Güterzügen möglichst gering zu halten, dies
im Gegensatz zu (vorläufigen) Plänen für den Gotthard-Basistunnel.
Von London nach Leeds
Mit dem 299 km entfernten Leeds ist London durch den schnellsten
Intercity bei 151 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit auf einer alten
Strecke in 1 Stunde 59 verbunden. Der Start erfolgt fast auf die
Sekunde, doch wegen einer Signalstörung resultiert eine 4 Minuten
verspätete Ankunft. Die Vormittagsreise in der 1. Klasse verkürzt,
im Preis inbegriffen, ein gepflegter Service mit drei leichten Menus
aus der leistungsfähigen Küche des Zuges.
Der vor zwölf Jahren neu gebaute zweitgrösste Bahnhof des Landes ausserhalb Londons
mit 17 Gleisen ist Mittelpunkt eines elektrifizierten Vorortsnetzes.
Drei rund halbstündige Fahrten verlaufen beim Abgang wie bei der
Ankunft auf die Minute pünktlich, obwohl die Strecke drei S-Bahn-
Linien mit unterschiedlichen Halteorten und vereinzelt schwere
Kohlezüge mit Dieseltraktion zu bewältigen hat.
Britische Bahnen am kundenfreundlichsten
Vergleichend kann festgestellt werden, dass alle benützten Züge der
drei Länder für die Passagiere korrekt gereinigt waren. In England
präsentierten sich sämtliche Eisenbahnfahrzeuge in vorbildlichem
Unterhaltszustand. Sprayereien kommen auf dem Schienennetz der
Insel nicht vor. In Frankreich sind in diesem Bereich seit der raschen
Modernisierung des Rollmaterials klare Fortschritte zu verzeichnen,
während die SBB dieses Übels immer weniger Herr werden. Krass
fällt die Schweizer Staatsbahn bei der Sauberkeit und Luftqualität
grosser Bahnhöfe aus dem Rahmen, vor allem, aber nicht nur, weil
in Hallen und auf den Perrons noch immer geraucht werden darf.
Am kundenfreundlichsten operieren, was Ideologen Mühe bereitet,
die privatisierten britischen Bahngesellschaften (die Infrastruktur,
die für den ebenfalls erfreulichen Gleiszustand sorgt, ist staatlich).
Unbegleitete Züge waren in England weder in städtischen noch in
sehr ländlichen Gebieten zu sehen. Das bemerkenswert motivierte
Zugspersonal eilt so oft, nicht so wenig wie möglich durch die
Wagen, verfügt über anerkannte Autorität und hält selbst an Freitag-
und Samstagabenden Ordnung. Retourbillette aus leistungsfähigen
Geräten werden in allen Zügen nach Zielen im ganzen Netz ohne
Zuschlag verkauft, was niemanden hindert, Fahrausweise an den
Schaltern oder an Automaten zu erwerben. Bussen kennen führende
Gesellschaften wie Virgin grundsätzlich nicht.
Der Bahnhofchef heisst John
Die Information in den Zügen funktioniert optisch und akustisch
perfekt und nie anbiedernd. Mit Plakaten werden die Reisenden
dringend eingeladen, der Direktion mitzuteilen, was ihnen beim
Angebot gut, weniger oder allenfalls gar nicht gefällt. Kader stellen
sich regelmässig dem Publikum. In einem kleinen Abzweigbahnhof
wurde der Kundschaft mit Bild und Text mitgeteilt, dass der neue
(hier noch vorhandene) Chef John heisse und dass dieser zu jeder
Auskunft und Unterstützung bereit sei.
So weit, eine Chromstahl-Schale mit frischem Wasser für Hunde
bereitzustellen, hat den Kundendienst allerdings nur eine Dampf-
Museumsbahn getrieben.