Sie konnte unter Aufbietung sämtlicher Kräfte in eine Tugend verwandelt werden. Vor allem deshalb, weil Philip Kübler, der improvisationstüchtige Kunstverantwortliche der Swisscom, und Christoph Rütimann, der international renommierte, im Thurgau lebende Künstler, zueinander Vertrauen fassten und es vorzogen, gemeinsam das Unmögliche zu wagen und nicht auf getrennten Wegen die vollendeten zeit- und platzbeschränkenden Tatsachen zu beklagen. Nach der Losung „make the best of it“ behauptet sich im neuen Business Park der Swisscom in Zürich-West seit einigen Tagen die Videoinstallation „Fünf Farben und ein Maler“. Ob es sich um „Kunst am Bau“ oder doch um „Bau an der Kunst“ handelt, darf debattiert werden.
Spannung und Witz
Das ist wesentlicher leichter als die Beschreibung des Werks. Seine Einzel-Elemente funktionieren autonom, steigern in der Summierung ihren Effekt und verblüffen mit dem synchronen und asynchronen Wechselspiel. Fein säuberlich der Reihe nach:
In der Eingangshalle des eben offiziell eröffneten Gebäudes hängen an einer schwarzen Wand fünf stattliche Monitore. Sie leuchten kräftig monochrom in verschiedenen Farben, breitpinslig und sichtbar in Eile aufgetragen, und werden nach einigen Augenblicken von Christoph Rütimann weggespachtelt: zuerst auf einem der Monitore, dann auf dem zweiten, schliesslich als Parallelaktion auf allen fünf.
Während der Künstler auf dem letzten Monitor noch spachtelt, beginnt er auf dem ersten mit der monochromen Bemalung und setzt sie auf den Monitoren 2 bis 5 nacheinander fort. Nach sechs Stunden ist das Startkolorit wieder hergestellt. Das Malen und Spachteln dauert tagein und tagaus rund um die Uhr. Die Kombination traditioneller Hinterglasmalerei mit raffinierter Computerprogrammierung überrascht, zieht in den Bann und verleiht der Monotonie unglaubliche Spannung und ungeahnten Witz.
Bewunderung und Zweifel
Christoph Rütimann liess sich inspirieren von den tausend kreativen Köpfen, die im Business Park staunenswert an neuen IT-Projekten tüfteln: nicht immer schnurstracks auf dem Pfad zum Ziel, sondern von Rückschlägen auf Umwege oder gar zum Neubeginn gezwungen. Auch Erfinder und Entwickler drehen sich im Kreis.
„Fünf Farben und ein Maler“ mahnt an Sisyphos: nicht an den bestraften und leidenden in der griechischen Mythologie, sondern an den modernen, der an die Notwendigkeit erinnert, alles mit Zweifeln zu begleiten und in Frage zu stellen. Das ist in einem Haus des stürmenden Fortschritts eine ausgesprochen kluge und wohlbedacht provozierende künstlerische Idee.
Überwindbare Hürde
Schade nur, dass die Installation nicht frei zugänglich ist. Sie hängt an der Zürcher Pfingstweidstrasse 51 im gesicherten Bereich. Wer aus ernsthaftem – und selbstverständlich rein kunstsinnigem –Interesse die Sperre überwinden will, sende früh genug eine E-Mail an Philip Kübler: [email protected]. Christoph Rütimann lobt seine Kooperationsbereitschaft aus glänzender Erfahrung.