John Wyatt leitet als technischer Direktor seit 1975 die SDS-Gruppe mit Sitz in Cranbrook, Kent. SDS steht für Search, Detect, Secure. Er war an der Aufklärung des Lockerbie-Attentats vom 21. Dezember 1988 und des versuchten Anschlags auf ein amerikanisches Verkehrsflugzeug im Anflug auf Detroit am 25. Dezember 2009 beteiligt. Sein Unternehmen berät auch Organisationen wie die UN.
Frage: Als Laie hat man die Vorstellung, dass hinter jedem bekannt gewordenen Terroristen zahllose andere stehen müssen.
Wyatt: Ich glaube nicht an die vielen gründlich geschulten Terroristen. Da ist viel Improvisation und Last-Minute-Training.
Was wissen Sie über die Intentionen? Wollen Terroristen primär Angst und Schrecken verbreiten oder verfolgen sie eine weit reichende Strategie?
Ich glaube nicht an die grosse Strategie. Terror ist für sie eine Möglichkeit, um auf ihre Ideen aufmerksam zu machen. Und man darf nicht vergessen, dass Terror auch ein Mittel ist, am Erreichten festzuhalten und die eigenen Leute daran zu hindern, andere Wege zu gehen.
Politik und Geheimdienste möchten Anschläge verhindern, also präventiv tätig sein...
Dabei besteht aber immer die Schwierigkeit, dass die Terroristen die Initiative haben und darüber entscheiden, wann, wo und wie sie zuschlagen.
Was wissen Sie über die Psyche der Terroristen?
Terroristen sind meistenteils recht einfach zu führen. Oftmals sind Familienangehörige verletzt oder getötet worden, was sie stark belastet. Und sie sind einer starken Indoktrination ausgesetzt gewesen.
Stimmt es, dass manche Terroristen von Eliteuniversitäten in Europa und den USA kommen?
Teilweise. Wenn sie anfällig sind, ergibt sich die Rekrutierung ohne besonders aufwendige Planung. Dabei spielt das Internet eine grosse Rolle.
Apropos Internet. Kann man tatsächlich Anleitungen und Sprengsätze im Internet beziehen?
Ja und nein. Es ist nicht so einfach. Manche Seiten und manche Anleitungen führen in die Irre.
Werden entsprechende Internetseiten staatlich überwacht?
Zumindest schaut man, wann und wie oft diese Seiten besucht werden.
Als Laie sieht man den wachsenden Einfluss der Geheimdienste mit Sorge. Was sagen Sie als Experte dazu?
Wachsende Geheimdienste sind zweischneidige Waffen. Je grösser sie sind, desto weniger kann man sie kontrollieren und desto anfälliger sind sie für Lecks.
Die Angreifer sind immer im Vorteil. Können auf die Kosten der Abwehr unbezahlbar werden?
Die Kosten können tatsächlich davonlaufen, wenn wir allein auf Technik setzen. Wir müssen stärker auf Personen setzen, ganz speziell muss das auf der Management-Ebene geschehen.
Die Terroristen bedienen sich modernster Technik. Gilt das auch für Explosivstoffe?
Daran hat sich in den letzten 20 bis 30 Jahren kaum etwas geändert. Es stehen auch so genügend zur Auswahl! Was sich ändert, ist die Technik der Behälter.
Gibt es Sprengstoffe, die kaum oder gar nicht entdeckt werden können?
Deswegen hat die Internationale Luftverkehrsgesellschaft ICAO jetzt eine Resolution verabschiedet, gemäss der ein Additiv bei Plastiksprengstoffen für eine bessere Erkennbarkeit sorgen soll.
Man redet immer wieder über die „schmutzige Bombe“.
Die sind aber wenig effizient, wenn man sie nicht in grossem Stil oder umgekehrt extrem gezielt einsetzt. Allerdings wird der psychologische Effekt Terror auslösen, weil der Mangel an Wissen durch die Medien dann noch verschärft wird.
Manche Experten sagen, chemische oder biologische Waffen seien noch schlimmer. Aber ausser beim U-Bahn-Anschlag in Tokio 1995 hört man wenig davon.
Biologische und chemische Waffen lassen sich schwer kontrollieren und entsprechend effizient anwenden. Der Angriff mit Sarin-Gas auf die Tokioer U-Bahn ist dafür ein gutes Beispiel. Weil das Gas nämlich schwerer als Luft ist, durchsetzte es kaum die Luft. Deswegen war die Zahl der Opfer vergleichsweise gering.
Ist die gründliche Kontrolle von Fluggästen sinnvoll, und wozu nimmt man ihnen immer noch Behälter mit Flüssigkeiten ab?
Sorgfältige Kontrollen sind sinnvoll, wobei das Management auf wechselnde Schwerpunkte achten sollte. Flüssige Sprengstoffe sind praktisch gleich zu handhaben wie feste: Man braucht eine Sprengkapsel oder sehr grosse Hitze, um sie zur Explosion zu bringen. Es macht übrigens keinen Sinn, Behälter mit Flüssigkeiten über 100ml einzuziehen, wenn man mehrere kleine zulässt.
Sind Sky Marshals sinnvoll?
In meinen Augen sind sie in ernsten Notfällen wichtiger als für den Schutz vor Angriffen. Das normale Kabinenpersonal ist kaum in der Lage, mehr als eine einfache Evakuierung im Griff zu behalten.
Wird die Möglichkeit von Sprengstoffanschlägen beim Bau von Flugzeugen berücksichtigt?
Anfang dieses Jahres haben wir einen Sprengsatz ähnlich dem von Detroit im Dezember 2009 in einem Flugzeug gezündet. Dabei hat sich gezeigt, dass die Passagierkabine ganz schön elastisch ist. Allerdings müssen die Frachträume verbessert werden.