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Sprach-Akrobatik

„Herr Doktor“ – eine Auslauf-Anrede

24. April 2015
Reinhard Meier
Reinhard Meier
Der Gebrauch akademischer Titel geht in der Alltagssprache klar zurück - auch ein Zeichen gesellschaftlicher Demokratisierung.

Für promovierte Akademiker, die sich ehr- und redlich einen Doktortitel erworben haben, ist das Leben härter geworden – falls sie darauf Wert legen, mit diesem Titel auch angesprochen zu werden. Im alltäglichen Umgang wird die Anrede „Herr Doktor“ oder „Frau Professor Müller“ zunehmend weniger verwendet. Auf dieser sprachlichen Ebene scheint die Nennung des akademischen Grades tendenziell ebenso zu verschwinden wie andere, früher übliche Zusatzbezeichnungen wie „Herr Posthalter“ oder „Frau Feuerwehrhauptmann“ inzwischen ganz ausgestorben sind.

Rechtlich ist die Sache klar. In Deutschland hat der Bundesgerichtshof schon vor langer Zeit festgehalten, dass der Doktorgrad zwar „anredefähig“ sei, dass aber der Promovierte keinen Anspruch hat, mit diesem Titel angesprochen zu werden. Das gleiche Prinzip gilt auch für den „Herrn Professor“. Wer bei der Anrede auf seinem akademischen Titel beharrt, kann sich nicht auf das Gesetz stützen. Er läuft auch Gefahr, sich damit ein wenig lächerlich zu machen.

Bei den Medizinern bleibt die Anrede mit dem „Herrn Doktor“ geläufiger. Und zwar deshalb, weil die meisten Patienten den Doktortitel (mit oder ohne Familiennamen) gewissermassen als Berufsbezeichnung verstehen. Dennoch ist auch beim Arztbesuch die Doktor-Anrede nicht mehr so selbstverständlich wie noch in der Generation unserer Väter. Je besser und länger man seinen Arzt kennt, desto eher wird auch das umständliche „Herr Doktor“ oder „Frau Doktor“ fallen gelassen.

Wiederum anders sind die Usanzen beim schriftlichen Verkehr. Auf dieser Ebene hält sich die Verwendung des Doktortitels bei der Anrede solider als beim mündlichen Umgang. Das gilt nicht nur bei Briefen oder Mails an Mediziner, sondern auch bei schriftlicher Kommunikation mit doktorierten Juristen, Philologen usw. Auch auf Briefköpfen oder Visitenkarten wird der Zusatz Dr. iur. oder Dr. phil. oder Ph.D. dem sozialen Wandel noch länger widerstehen. Hier wird der Titel eher als Informationshinweis und weniger als Aufforderung zum überholten gesellschaftlichen Knicks verstanden.

Unter den drei deutschsprachigen Ländern Schweiz, Österreich und Deutschland dürfte das Verschwinden des Doktortitels in der Umgangssprache der Schweiz am Weitesten fortgeschritten sein. Am hartnäckigsten hält sich die Titel-Anrede in Österreich. Ein Blogger bezeichnet unser schönes Nachbarland im Osten despektierlich als „titelgeil“ und macht darauf aufmerksam, dass man dort immer noch Wert auf Anreden wie „Frau Oberstudienrat“, „Herr Magister“ oder „Herr Oberkellner“ lege. Man kann solche Titel-Zöpfe als Zeichen einer etwas rückständigen demokratischen Gesinnung interpretieren – aber auch als eher augenzwinkernden Tribut an k.u.k.-Zeiten.

 

 

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