Frankreich, unter den Präsidenten de Gaulle, Pompidou, Giscard d´Estaing, Mitterrand – das war für mich immer ein Land, in dem die politische Kultur sprachlich hoch gehalten wurde. Man führte verbale Duelle innerparteilich oder zwischen Regierung und Opposition lieber mit dem Florett als mit der Totschlägerkeule (jedenfalls so weit sie öffentlich vernehmbar waren). Eloquenz, rhetorische Brillanz galten als erstrebenswerte Tugenden, man war stolz auf solche Fähigkeiten. Nur Störefreid Jean-Marie Le Pen und sein Front National tickten anders, gebärdeten sich sackgrob, deckten Gegner mit Beschimpfungen und Beleidigungen ein – und blieben dabei stets eine politische Minderheit. Und heute? Die Sozialisten unter einem schwachen Präsident Hollande ver-sprechen, was sie nicht halten können und lassen verbale Kakophonien ertönen. Die Rechte hat jegliche Contenance verloren, ihre Führer bewerfen sich öffentlich mit Dreck. „Hau endlich ab!“ wurde dem inzwischen zurückgetretenen Parteipräsidenten Jean-François Copé kürzlich zugebrüllt; ein stilistischer Höhepunkt im Kampf um Macht und Einfluss. Paradoxerweise scheint von dieser Verrohung der Sitten in erster Linie Le Pens Tochter Marine zu profitieren. Sie hat Kreide gegessen, hat dem vulgären Jargon ihres Vaters abgesagt und verkauft nun das – immer gleiche – Programm des Front National, also Fremdenfeindlichkeit, Nationalismus und reaktionäres Gedankengut, mit einem weichgespülten Vokabular. Bald, so denken französische Politologen, wird sie auch bei Präsidentschaftswahlen mehrheitsfähig sein.
"Hau endlich ab!"
Wie sich die Politsprache vulgarisieren kann.