Der jetzt vom rund 300-köpfigen Zentralkomitee in Peking verabschiedete Plan für die Jahre 2011 bis 2015 gibt vielmehr die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Leitplanken fuer die nahe Zukunft vor. Dieses staatskapitalistische, autoritäre Modell der „sozialistischen Marktwirtschaft chinesischer Prägung“ wird mittlerweile in Schwellen- und Entwicklungsländern als valabler Gegenentwurf zur westlich-liberalen, demokratischen Methode verstanden.
Binnen-Nachfrage soll Wachstum fördern
Die Kernpunkte des neuesten 5-Jahresplanes sollen das steile Wirtschaftswachstum „nachhaltig“ machen. Bis ins Jahr 2015 nämlich wird das Brutto-Inlandprodukt – so sieht es heute aus – nochmals um 50 Prozent auf satte 7,5 Billionen amerikanischer Dollar wachsen.
Deshalb wird Umwelt, Energie, und Informations-Technologie (IT) im Planungsentwurf ganz gross geschrieben. Ökonomisch gesprochen soll das Wachstum in Zukunft immer mehr von der Binnen-Nachfrage genährt werden und weniger hauptsächlich von Export und ausländischen Investitionen. Um das zu verwirklichen, müsste das soziale Sicherheitsnetz (Pensionen, Krankenkassen etc.) zügig ausgebaut und der Wohnungsbau für den Laobaixing, den Durchschnittsbuerger, gefördert werden.
Diese Ziele sind vor allem auch politisch zu verstehen. Vor acht Jahren nämlich sind Staats- und Parteichef Hu Jintao und Premierminister Wen Jiabao mit dem durchaus “sozialistischen” Anspruch angetreten, die Gesellschaft gerechter, egalitärer, ausgeglichener zu machen. Dieser Anspruch fand am Parteitag 2007 seinen Niederschlag in der durchaus konfuzianisch gepraegten Parteilinie einer “harmonischen Gesellschaft”.
Die Resultate sind nicht ueberzeugend. Die Kluft zwischen Arm und Reich, Stadt und Land ist vielmehr tiefer geworden. Die Korruption bleibt nach wie vor ein ernsthaftes Problem. In der Folge hat auch der Volkszorn zugenommen, und fast taeglich kommt es zu Protesten, Unruhen und zum Teil zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Alles andere also als “harmonisch”.
Den Namen Xi Jinping sollte man sich merken
In zwei Jahren beim naechsten Parteitag wird die jetzige Führung nach zehnjähriger Amtszeit abgelöst. Deshalb ist die Verabschiedung des 5-Jahres-Planes durch das ZK der Partei wie ein Vermächtnis fuer die Zukunft. Parteichef Hu und Premier Wen wollen schliesslich als getreue Schüler von Reform-Übervater Deng Xiaoping in die chinesischen Geschichtsbücher eingehen.
Die nächste Fuerhungsgeneration ist bereit und sitzt schon an den Schalthebeln der Macht, d.h. im allmächtigen Ständigen Ausschuss des Politbüros. Den Namen Xi Jinping sollte man sich merken. Er wird Staats- und Parteichef Hu Jintao ablösen. Mit etwas über fünfzig Jahren gilt der Vize-Staatspräsident als “jung”. (Seine Wahl ist so sicher wie vor zwei Monaten die Wahl Sommarugas und Schneider-Ammanns...)
Natürlich wurden am Partei-Konklave in Peking auch politische Fragen erörtert. Innerhalb der Partei war und ist politische Reform stets ein Thema. Im Westen allerdings sollte man sich – trotz oder gerade wegen des Friedensnobelpreises an Liu Xiaobo – keinen Illusionen hingeben.
Westliche Demokratie steht nicht auf dem Programm. Ein wiedererstarktes China ist in den Reformjahrzehnten selbstbewusster, offener, durchlässiger und gewiss auch demokratischer geworden. Doch die rotten Mandarine lassen sich vom Ausland nichts mehr vorschreiben: In politischen Fragen nicht vom Osloer Nobelpreis-Komitee und in Wirtschafts- und Währungsfragen weder von Washington, Tokio oder Brüssel.