SPEC, the Supreme Presidential Election Council, hat zehn der Kandidaten für die ägyptischen Präsidentschaftswahlen eliminiert. Es bleiben noch 12 im Rennen. Doch unter den Ausgeschiedenen befinden sich jene, denen man bisher die besten Aussichten zugesprochen hatte, die Wahlen zu gewinnen.
Die Spitzenkandidaten entfernt!
Dies waren Khairat al-Shatir, der Kandidat der Partei der Muslimbrüder, Freiheit und Gerechtigkeit, Omar Solaiman, der frühere Geheimdienstchef Mubaraks, Hazem Abu Ismail, der bekannteste Prediger und charismatische Fernsehstar der Salafisten.
Zu den Ausgeschlossenen gehört auch Ayman an-Nur, der einzige Politiker, der es in den letzten Präsidentenwahlen Mubaraks gewagt hatte, gegen Mubarak anzutreten und der dafür mit der Anklage belohnt worden war, er habe Dokumente gefälscht, wofür er eine langjährige Gefängnisstrafe erhielt.
Rekurse abgewiesen
Die Ausgeschlossenen versuchten, Einsprache gegen die Massnahme der Kommission einzureichen, doch diese wies sie ab mit dem Bescheid, ihre Einwände hätten keine neuen Fakten zu Tage gebracht. Da die Massnahmen der Kommission nicht vor Gericht angefochten werden konnten (Paragraph 28 der Bestimmung zur Einsetzung der Kommission, welche die Militärführung erliess, verbietet dies ausdrücklich), dürfte die Zahl der zugelassenen Kandidaten nun endgültig feststehen.
Nun an der Spitze: Amr Mousa
Die Massnahme der Kommission kommt einer Vorauswahl der Kandidaten gleich. Sie verschiebt die Gewinnchancen radikal. Der bisherige Spitzenkandidat al-Shatir macht Raum für einen neuen Favoriten, den einstigen Aussenminister Mubaraks und späteren Generalsekretär der Arabischen Liga Amr Mousa. Amr Mousa zählt zu den säkularen Kräften.
Zu seinen wichtigsten Konkurrenten um die Stimmen der säkularen Ägypter gehört der frühere Luftwaffen Oberkommandant und letzte Ministerpräsident Mubaraks sowie Vorsitzende der ersten von SCAF ernannten Regierung nach der Entfernung Mubarakas: Ahmed Shafik. Er ist ein Mann der Armee und dürfte deshalb den Offizieren der gelegenste sein.
Dr. Abdel Moneim Abu Futuh, einstiger Muslimbruder
Ein weiterer Kandidat mit Erfolgsaussichten ist Abdel Moneim Abul Futuh, der Arzt, der zu den Muslimbrüdern gehörte, aber aus der Bruderschaft ausgestossen wurde, weil er für die Präsidentschaft kandidieren wollte zu einer Zeit, in der die Brüder beschlossen hatten, keinen eigenen Kandidaten aufzustellen. Diesen Entschluss hat die Bruderschaft zu Beginn dieses Monats umgestossen, als sie sich dazu entschied, Khairat al-Shatir zu nominieren.
Muhamed Morsi, Vorsitzender der Partei der Brüder
Dieser wurde nun ausgeschlossen. Doch die Bruderschaft hatte rechtzeitig einen Ersatzmann aufgestellt, der sich noch im Rennen befindet, er ist Mohamed Morsi, der Vorsitzende der Partei der Muslimbrüder. Auch er könnte möglicherweise zur Gruppe der Spitzenkandidaten gehören, wenn die Bruderschaft sich geschlossen hinter ihn stellt.
Doch er ist sehr viel weniger bekannt als der ausgeschiedene al-Shatir, und man kann auch nicht ausschliessen, dass viele Stimmen der jüngeren Generation unter den Brüdern Dr. Abul Futuh zufallen, der bekannter und beliebter ist als der Parteipräsident und der als die wichtigste Figur der gemässigt revolutionären Strömung gelten kann, die unter den Kandidaten verbleibt.
Die Gründe der Wahlkommission
Die Gründe der Wahlkommission für die Ausschliessungen sind Vorstrafen, die im Falle der zweifellos aus politischen Gründen verurteilten, al-Shatir und Ayman Nur, vorliegen. Diese sind nach Ansicht der Kommission immer noch gültig, obgleich die Offiziersjunta beide nach der Revolution begnadigt und aus der Haft befreit hat.
Im Falle des Salafisten, Abu Ismail, gab es einen Streit über die Nationalität seiner Mutter. Ägyptische Präsidenten müssen ägyptische Väter und Mütter haben. Der nun abgewiesene Kandidat erklärte, seine Mutter habe bloss eine amerikanische Green Card besessen, das heisst Einwanderungs- und Aufenthaltserlaubnis, sei aber nicht amerikanische Bürgerin gewesen. Die Kommission war gegenteiliger Ansicht, anscheinend auf Grund von Dokumenten des ägyptischen Aussenministeriums.
Solaiman, der Geheimdienstgeneral, schied aus, weil ihm dreissig der 30 000 beglaubigten Unterschriften fehlten, die er hätte beibringen sollen, bevor der Anmeldetermin zu Ende ging. Der Leiter seiner Kampagne legte sie nachträglich vor, doch der Termin war verstrichen und die Kommission blieb bei ihrer Abweisung seiner Kandidatur.
Proteste der Ausgeschlossenen
Solaiman akzeptierte den Entscheid ohne Widerspruch. Die Anhänger des Salafisten Abu Ismail zeigten sich empört und belagerten in Massen den Sitz der Wahlkommission. Doch diese ist durch Stacheldraht Barrieren und Militärpolizei geschützt.
Abu Ismail selbst erklärte, er sei durch eine amerikanisch-ägyptische Verschwörung seines Rechtes zu kandidieren beraubt worden, und er tönte an, dies könne eine "islamische Revolution" zur Folge haben. Der salafistische Prediger ist durch hemmungslose Rhetorik und scharfe anti-amerikanische Polemik berühmt und bei seinen Anhängern beliebt geworden.
"Gefahr" in den Augen der Bruderschaft
Die Bruderschaft gab ein gewundenes Communique heraus, das beginnt: "Angesichts des Glaubens der Bruderschaft und der Partei, Freiheit und Gerechtigkeit, an die Ungewissheit der gegenwärtigen Lage erklären die Gruppe und die Partei, dass sie sich weiterhin um die Präsidentschaft bewerben, indem sie Muhammed Morsi unterstützen."
Was mit der "Ungewissheit der gegenwärtigen Lage" gemeint ist, erklären die Wahlredner der Partei in direkterer Sprache. Sie sagen, es bestehe eine Gefahr, dass die Wahlen von SCAF gefälscht würden, um die "Revolution zu beenden". Angesichts dieser Gefahr müsse ihre Partei mit aller Macht darauf ausgehen, neben ihrer Mehrheit im Parlament auch die Exekutive zu dominieren. Es gehe darum, die Revolution und ihren demokratischen Ansatz zu retten. Die Parlamentsmehrheit alleine genüge dazu nicht, weil die Macht der Präsidentschaft das Parlament zu blockieren vermöchte, so wie SCAF gegenwärtig das Parlament blockiert.
Die schwache Stellung des Parlamentes
Das gegenwärtige Parlament ist in der Tat nicht in der Lage, Gesetze zu verabschieden, wenn diese nicht von der Militärjunta autorisiert werden. In Ermangelung einer neuen Verfassung werden diese Vollmachten, nach dem auf den 1. Juli angesetzten Rückzug der Militärs aus der Politik, an den zu wählenden Präsidenten übergehen.
Deshalb, so schliesst heute die Bruderschaft, genüge es nicht für sie, das Parlament zu beherrschen, sie müsse auch die Präsidentschaft erlangen, um eine echte Reform der ägyptischen Politik zu bewerkstelligen. Eine solche habe sie, die Bruderschaft, ihren Wählern und allen Ägyptern versprochen, und sie sei gezwungen, sich nun die Mittel zu geben, die unentbehrlich seien, um ihr Ziel anzugehen.
Eingeflochten in diese Kommentare finden sich auch bittere Worte über "das Verbrechen", welches die Offiziersführung begehe, indem sie die Spitzenkandidaten ausboote.
Ein Richter aus der Militärjustiz
Der Vorsitzende von SPEC, der " Höchsten Präsidenten Wahl Kommission" ist der Oberste Richter des ägyptischen Verfassungsgerichtes, Faruk Sultan. Er war 2009 von Mubarak zu dieser Stellung erhoben worden, nachdem er seine ganze Karriere in den Militärgerichten und Sicherheitsgerichten des Mubarak Regimes durchlaufen hatte. Dies sind Gerichte, welche die Folter deckten, die ihre eigenen Schergen praktizierten, und die auf Grund von Geständnissen, die oft durch Folterungen erpresst wurden, Urteile fällten. Die Ernennung eines ihrer Richter in das Verfassungsgericht war damals ein Skandal in juristischen Kreisen gewesen. Die Kommentatoren erklärten sie damit, dass Mubarak damals versuchte, alle möglichen Quellen der Opposition zu verstopfen, darunter auch das Verfassungsgericht, um die Hände frei zu bekommen zur Ernennung seines Nachfolgers, welcher möglicherweise sein Sohn hätte werden sollen.
Die Brüder und andere Kenner der ägyptischen Justiz sagen, die Mitglieder der Kommission bestünden sämtlich aus Freunden und Gesinnungsgenossen des früheren Militärrichters Faruk Sultan.
Eine Gleichgewichtsübung der Militärs?
Nachträglich sehen viele Ägypter das ganze Manöver mit der SPEC und ihren nicht vor Gericht hinterfragbaren Vollmachten als ein abgekartetes Spiel. Der Umstand, dass Soleiman an einem Tag erklärte, er kandidiere nicht, und am nächsten Tag dann doch kandidierte, muss wohl so verstanden werden, dass seine Kandidatur von den herrschenden Militärs als ein Schachzug vorgesehen war, der dazu dienen sollte, ein Gegengewicht gegen die Ausschaltung des aussichtsreichsten der Kandidaten, al-Shatirs, abzugeben. Solaiman musste kandidieren, um auch ausgeschlossen zu werden, so dass sein Anschluss zusammen mit jenem al-Shatirs als eine ausgeglichene Handlung erschien.
Dies sind nur Vermutungen. Doch wer sie hegt, wird auch erwarten, dass weitere Manipulationsversuche der Präsidialwahl nachfolgen könnten.