Was bedeuten dürfte, dass der gegenwärtige Kampf solange andauern wird, bis die Raketenvorräte in Gaza erschöpft sind. Vielleicht werden die Israeli noch eine Landaktion lancieren, etwa im Fall, dass sie dies als notwendig erachten, um möglichst alle Raketen aus Gaza zu eliminieren. Doch am Ende wird eine Art von Ruhe eintreten, wie schon vor vier Jahren nach dem ersten Gazakrieg der Israeli.
Die nächste Runde und die Übernächste?
Es ist aber zu erwarten, dass Hamas nach dieser Niederlage, die den islamistischen Kämpfern wohl nur als ein "Rückschlag" gelten wird, neue Raketen einschmuggelt und selbst herzustellen versucht. Was vermutlich dazu führen wird, dass die Israeli einem bestimmten Zeitpunkt, wenn ihre Geheimdienste die Überzeugung erlangen, dass ein neues Raketenarsenal Israel bedrohe, erneut, wie schon diesmal, in kleinen Schritten der Provokation dafür sorgen werden, dass Hamas oder seine inner-gaziotischen Rivalen ein paar Raketen fliegen lassen. Worauf die israelische Regierung erklären wird, sie sei gezwungen, Israel zu verteidigen und ihrerseits erneut Gaza bombardieren.
Wird dies wie bisher in regelmässigen Abständen von vier Jahren wie eine blutige Olympiade geschehen? Jeweils zu der Zeit, in der israelische Parlamentswahlen bevorstehen? Weil Demonstrationen der starken Hand den herrschenden Konservativen nützen und alle zuvor laut gewordenen Sozialbegehren in den Hintergrund schieben? Nach dem ersten Gazakrieg sagten alle Auguren voraus, ein zweiter müsse notwendig folgen. Wird dies nach dem zweiten auch für den dritten gelten?
Welche Strategie auf beiden Seiten?
Angesichts solcher Fragen drängt sich die Grundfrage auf: Was sind die strategischen Ziele solcher Kriege? Gibt es sie überhaupt? Wenn ja, sind sie erreichbar?
Die Frage richtet sich an beide Seiten in der Dauerkonfrontation. Hamas erklärt den Kampf selbst als sein strategisches Ziel. Den islamistischen Anführern geht es darum, den Krieg gegen Israel fortzuführen. Ihren Rivalen von Fatah werfen sie vor, sie hätten den Kampf aufgegeben, und sie merken an, dafür sei die PLO aber nicht belohnt worden.
Symbolischer Krieg
Hamas hat angesichts der gewaltigen Überlegenheit der israelischen Streitkräfte nicht viele Möglichkeiten "zu kämpfen". Die Raketen sind eine der wenigen, wenn nicht die einzige. Dass es sie gibt und dass man sie abschiessen kann, sogar wenn man weiss, dass sie kaum etwas treffen werden, hat für Hamas symbolischen Wert. Es zeigt, dass der Krieg weitergeht. "Wir von Hamas haben den Krieg nicht aufgegeben!"
Doch kann man das eine Strategie nennen? Eine Strategie müsste eigentlich einen Weg zum Erfolg weisen. Die Raketen erweisen sich eher als ein Weg, der zu periodischen Vernichtungsschlägen vonseiten Israels führt. Dennoch scheint der Krieg Hamas als notwendig zu gelten. Ihre Anführer und Sprecher bezeichnen "den Kampf", solange er andauert, gleich zu wie vielen Verlusten er führt, als ihre , schliesslich sieghafte und damit erfolgversprechende Strategie, wie sie versichern.
Ihre Kritiker werden sagen: Ihr bringt euch nur selbst und alle eure Mitbewohner von Gaza ins Unglück. Doch Hamas sieht ein gleich grosses oder grösseres Unglück darin, den Begehren Israels nachzugeben. Dies, so sind sie sich ihre Ideologen gewiss, wird zur Vernichtung der Palästinenser führen, und die Erfahrungen, die diese im Westjordanland machen, scheinen ihnen nicht unrecht zu geben.
Und Israels Ziele?
Doch muss man auch fragen: Haben denn die Israeli eine Strategie? Wie genau? Wie können sie vermeiden, dass neue, wahrscheinlich noch radikalere Führer Hamas übernehmen, wenn die bisherigen umgebracht werden? Wie es ja auch schon erprobt worden ist.
Können die Bewohner von Gaza mit Bomben gezwungen werden, Israel nicht mehr als Feind anzusehen? Oder kann man sie mit Bomben dazu veranlassen, Hamas die Gefolgschaft zu künden?
Die Palästineser sollen "verschwinden"
Die gleiche Pseudo-Strategie wird auch im Westjordanland befolgt. Man könnte sie so definieren: "Wenn man die Palästinenser nur systematisch genug niederhält, werden sie einmal genug bekommen und verschwinden, irgendwie unsichtbar und unschädlich werden, vielleicht sogar auswandern, etwa nach Jordanien. Oder wenn sie bleiben, in ihren Bantustans fortvegetieren..., bis es sie irgendwie nicht mehr gibt."
Wahlverwandtschaften
Auf beiden Seiten sieht es so aus, als ob die jetzigen Führungsgruppen im Fortdauern des Krieges ihr Interesse erblickten. Schon weil das ihnen erlaubt, an der Führung zu bleiben, sie als Anführer unabkömmlich werden lässt. Sie sind mit "ihrer" Politik verbunden und schon daher sind sie dafür, dass diese Politik fortgeführt werde. Wohin sie führt, ist weniger wichtig, als dass sie andauert.
Die Ziele liegen fern, und das ist eigentlich gut so für die Machthaber, denn damit rückt auch ihr Abtreten in die Ferne. Was man alles natürlich ideologisch verbrämen kann, es sei gut für den Glauben oder es sei notwendig für das Vaterland.
Blind für mögliche Alternativen
Gibt es Alternativen? Beide Seiten wollen sie nicht ins Auge fassen. Sie sagen daher, sie seien verderblich, brächten Unsicherheit über Israel, das Ende der Hoffnung in Gaza.
Man schliesst Alternativen aus, schon weil sie eine neue Führung hervorbrächten. - Und die Völker, in Gaza, in Israel, warum folgen sie? Eine Mischung von Angst und von Hass hindert sie daran zu erkennen, dass es brauchbare, menschlichere und hoffnungsvollere Alternativen gäbe. Raketen und Bomben sind gut, um diese Mischung zu perpetuieren.
Der Dauerkrieg bringt die zu ihm gehörigen Führungsschichten hervor, und er sorgt dafür, dass die Geführten angeführt bleiben. Die Führungsschichten wiederum leben vom Dauerkrieg. Deshalb sorgen sie dafür, dass er fortdauert. Ideologie dient dazu, diesen Zustand sich selbst und anderen als unvermeidlich auszugeben, wenn nicht gar gottgegeben.