Geht das Schweizerdeutsch den Bach runter, wenn sich das «Frühstück» vermehrt neben dem «Zmorge» breit macht? Muss man eine Nivellierung der regionalen Dialekte befürchten, weil das Ostschweizerische «Hoi» längst auch ausserhalb seines angestammten Territoriums geläufig ist?
Befürchtungen dieser Art kennt man von beflissenen Dialektpflegern. Sie sehen in Abweichungen, Verwischungen und Neologismen gewohnheitsmässig den drohenden kulturellen Niedergang. Diese Tendenz zum Musealisieren des Dialekts färbt gelegentlich darauf ab, wie dessen wissenschaftliche Erforschung wahrgenommen wird. Doch solche Assoziationen führen in die Irre. Das zeigt sich vielleicht nirgends besser als in der Forschung, welche das Deutsche Seminar der Universität Zürich seit gut einem Jahr mittels der Smartphone-App «Gschmöis» betreibt.
Mit «Gschmöis» können alle Interessierten mithelfen, den Stand deutschschweizerischer Dialekte zu dokumentieren. Alle zwei Wochen bekommen sie eine kleine Umfrage zu Dialektvarianten ausgewählter Wörter. Da wird dann etwa gefragt: «Wie sagst du in deinem Dialekt ‘Äpfelchen’?» Zur Auswahl stehen «Öpfi», «Öpfeli», «Öpfali», Öpfelti», «Öpfulti», «Epfelti», «Epfulti».
Wer die gewählte Antwort sendet, sieht eine Schweiz-Karte, auf der die Orte der von Teilnehmenden gewählten Varianten markiert sind. Vergrössert man den Kartenausschnitt, erscheinen sogar die einzelnen Antwortenden – anonym, aber mit ihrer Alterskategorie. Bei Fragen, die schriftliche Eingaben erfordern, erscheinen bei den geographisch lokalisierten Antwortenden auch die Texte. Noch besser: Bei Fragen, die gesprochene Antworten erfordern, können diese auf der Karte angewählt und als Audio-Files abgespielt werden.
Nach jeweils acht beantworteten Fragen darf man bei «Gschmöis» zur Belohnung eine «Expertenfrage» beantworten. Hier gilt es, auf die richtige Bedeutung eines wenig bekannten Dialektworts einer bestimmten Region zu tippen. Eine davon fragte, was ein Urner mit dem Wort «Chooli» bezeichne. Auch hier sind die Tipps der Teilnehmenden geographisch lokalisiert – und natürlich verrät die Karte auch die richtige Antwort.
«Gschmöis» fragt nicht nur nach lexikalischen, sondern auch nach syntaktischen Varianten. Die App macht auf spielerische Weise deutlich, wie überraschend gross die Vielfalt der Dialekte ist. Dabei bleibt diese Forschung dem heute gesprochenen Schweizerdeutsch stets auf den Fersen. Wenn Leute gewohnt sind statt «wunderschön», «uhuere schön» oder «mega schön» zu sagen, so werden diese Varianten registriert. Bücherstaub und Museumsmief gibt es da nicht.
Die App «Gschmöis» steht kostenlos im App Store von Apple sowie bei Google Play zur Verfügung.