Das Rezept 2–2–2–1 hat ein Menschenalter lang zufriedenstellend funktioniert. Doch seit dem 20. Oktober dieses Jahres sitzt das alte Gewand der Landesregierung nicht mehr. Es spannt, droht gar zu reissen und sieht vor allem nicht mehr gut aus. Nach ihren Verlusten sind der Freisinn und die Sozialdemokraten übervertreten auf Kosten der fulminant aufgestiegenen Grünparteien. Eine Änderung bei der Zusammensetzung des Bundesrats finden deshalb viele Parteienvertreterinnen und Politbeobachter angebracht. Doch wie soll das geschehen? Und wann soll es soweit sein?
Auf die Wie-Frage gibt es zwei Antworten. Die meistgenannte sieht vor, einen der beiden FDP-Sitze der GPS zu überlassen. So zusammengesetzt würde die Landesregierung unbestreitbar den neuen Parteienstärken besser gerecht als nach herkömmlicher Zauberformel.
Eine kühnere Idee hat Christoph Blocher ins Spiel gebracht: FDP und SPS sollen je einen Sitz im Bundesrat zugunsten von GPS und GLP abgeben. Diese Version bildet die Kräfteverhältnisse im Parlament sogar noch besser ab als die Verschiebung nur einer Position. Sie hat zudem den Vorteil, auch die Wählerbewegungen zu spiegeln: Die Drift von den Sozialdemokraten zu den Grünen wie auch vom Freisinn zu den Grünliberalen würde sich in der Regierungszusammensetzung niederschlagen.
In dieser Blocherschen Version wollen viele Beobachter primär ein Manöver zugunsten der SVP erkennen, die dann als einzige Partei zwei Bundesräte hätte. Doch warum sollte sich der deutliche Abstand der stärksten Partei zu den übrigen nicht in einer alleinigen Zweiervertretung manifestieren? Ein Übergewicht der SVP wäre nicht zu befürchten. Die Zusammensetzung aus dreimal Rechts und viermal Mitte-Links mit Einbezug von Grün und Grünliberal würde optimal in die neue politische Landschaft passen. Dieses 2–1–1–1–1–1 hätte auch das Zeug, die Regierung dynamischer zu machen – unter der bei allen Formeln wichtigen Voraussetzung, dass pragmatisch und flexibel Koalitionen gebildet und Kompromisse gefunden werden.
Bleibt noch die Wann-Frage. Viele beeilten sich, den Grünen zwar einen Anspruch auf einen Sitz in der Regierung zuzugestehen, sie aber zur Geduld aufzurufen. Die jetzigen Sieger müssten ihren Wahlerfolg in vier Jahren erst noch bestätigen, bevor dieser in Teilhabe an der Exekutivmacht umgemünzt werden könne. Zudem sei es ganz schlecht, amtierende Bundesräte abzuwählen: schlecht für das Regierungssystem und schlecht für die Zusammenarbeit der Parteien.
Aus solchen Beschwörungen spricht mehr Taktik als fundierte Staatspolitik. Denn selbstverständlich können in einer Demokratie gewählte Exekutivmitglieder abgewählt werden, auch wenn es nicht Usus ist. Dies umso mehr, als Regierungsparteien mit taktischen Spielchen – genau getimte Rücktritte von Amtsinhabern während laufender Legislaturen – seit je eine Politik der Besitzstandswahrung betreiben. Das ist etwas unschön, mag aber bei politischer Stabilität hinzunehmen sein. Steht jedoch eine Veränderung der Parteienvertretung an, wie es jetzt der Fall ist, so darf es bei der ordentlichen Neubestellung des Bundesrats kein Tabu sein, amtierende Regierungsmitglieder zu verabschieden.
Es darf nicht sein, dass nach einer Parlamentswahl, die historische Kräfteverschiebungen ergab, die Landesregierung unverändert bleibt, als sei nichts geschehen. Die Wahlsieger sollen ihre Machtansprüche geltend machen und mit kluger Taktik realisieren. Christoph Blochers Vorschlag ist ein Steilpass, den sie nutzen müssen. Die Wann-Frage verlangt eine entschlossene Antwort. Sie lautet: Jetzt!