Die GAFAs (Google, Amazon, Facebook, Apple) sind zu gross geworden. Ihre Marktmacht hat sie zu Monopolisten gemacht. Auf diese schädliche Entwicklung reagieren jetzt die Staaten.
Kürzlich hat das EU-Gericht Google verurteilt. Das Verdikt: Google muss 2,4 Milliarden Euro Busse bezahlen, wegen Missbrauchs seiner Marktmacht. Auch in den USA führt das schnelle Wachstum und die Marktdominanz der GAFAs zu Interventionen des Staates: Das Justizministerium und die Wettbewerbsbehörde reichten Klage ein. Ganz allgemein ist man inzwischen weltweit der Ansicht, dass die Machtballung dieser Konzerne der Wirtschaft schadet und letztlich unsere Demokratien gefährdet.
Die Welt verändert sich
Während Jahren verfolgten wir das Wachstum dieser Giganten mit einer Mischung aus Bewunderung und Skepsis. Wer «googlet» schon nicht täglich, wer kommuniziert nicht auf Facebook, längst kaufen wir neben Büchern allerlei anderes bei Amazon und auf Apples iPhone oder iPad schwören ganze Völkerscharen. Nicht ganz von der Hand zu weisen ist deshalb die ursprüngliche Verteidigung der angeklagten Konzerne, sie wären unschuldig an dieser Entwicklung, schliesslich seien es die Kunden, die diese befeuerten.
Doch inzwischen hat der Wind gedreht. Die Welt realisiert langsam die schiere Grösse dieser «Gipfelstürmer». So weist die Holding Alphabet, deren wichtigster Konzern zweifellos Google darstellt, innert sechs Jahren ein Umsatzwachstum von 90 Mrd. $ auf 258 Mrd. $ aus, während sich im gleichen Zeitraum die Zahl der Mitarbeitenden von 70’000 mehr als verdoppelte. Bei Meta Platforms (Facebook, Instagram, WhatsApp u. a.) sehen wir eine unglaubliche Umsatzperformance (2010 bis 2020) von 1,97 Mrd. $ auf 117,93 Mrd. $. Apple steigerte seinen Umsatz von 2010 auf 2021 von 65 Mrd. $ auf 366 Mrd. $ und Amazon, der Onlineversender, verzeichnete 2020 den gigantischen Umsatz von 386 Mrd. $.
Diese Zahlen, hinter denen sich quasi marktbeherrschende Dominanz verbirgt, sind beeindruckend. Die sieben grössten Digitalkonzerne erzielen heute einen Marktanteil von mehr als 50 Prozent. Diese Situation ist alarmierend, denn sie strahlt in weite Bereiche des täglichen Lebens aus. Zunehmend wird der Wettbewerb (infolge jährlicher, massiver Zukäufe der Giganten) auf immer neuen Gebieten ausgeschaltet. Am Beispiel Meta sind die Leidtragenden z. B. normale Anbieter von Medieninhalten, Medienschaffende, Journalisten, die von der schieren Angebotsmacht erdrückt werden und einen langsamen Erstickungstod erleiden.
Zugekaufte Innovationen
Diese eindrücklichen Wachstumszahlen werden durch «Big tech’s private passions» («Leidenschaften der Grossen Technologie-Firmen») ermöglicht, wie der «Economist» schreibt. Von den 713 Mrd. $, die 2020 in den USA für Entwicklung und Forschung aufgewendet wurden, investierten die grossen Fünf allein 149 $. «Dies ist bedeutend mehr als das entsprechende Budget des Pentagon. Mit diesen enormen Beträgen grasen die erwähnten fünf die Welt ab auf der Suche nach immer neuen Verbesserungen (und Marktbeherrschungs-Werkzeugen). Apple, als Beispiel, hält Ausschau nach Hardware-Komponenten für das neue iPhone. Amazon ist pausenlos auf der Suche nach Optimierungsmöglichkeiten seines Lagerhaus- und Auslieferungssystems. Facebook, realisierend, dass die junge Generation sie je länger je mehr meidet, sucht verzweifelt nach einem «new big thing», um sein eigenes Überleben zu sichern. Insgesamt haben die Grossen Fünf mit dieser Zielsetzung in den letzten fünf Jahren ungefähr 110 Unternehmen aufgekauft …
Mit dem oben erwähnten Ziel investierte z. B. Amazon in die Firmen Aurora, Rivian und Zoox, alle im Autobusiness engagiert. Amazon hat es vor allem auf automatische Fahrzeuge abgesehen – so kaufte das Unternehmen letztes Jahr 100’000 Liefer-Vans von Rivian, um seine Lieferkapazität zu verbilligen und effizienter zu gestalten. Schon 2012 hatte Amazon die Roboterfirma Kiva Systems gekauft, ebenfalls mit dem Ziel, die Abläufe in den Lagerhäusern zu optimieren und vom Firmenwissen zu profitieren.
Globalisierung, Monopolstellung, Macht, Gefahr – alles hängt zusammen
Während Jahren verlief die Globalisierung der Wirtschaft ohne grosse Kritik, quasi als unausweichliche Folge des Zusammenrückens der Welt im Technologiezeitalter. Doch zwei Ereignisse rüttelten an diesem Zeitgeist: Corona und Putin. Da waren die Lieferengpässe in den weltumspannenden Produktionsketten als Folge der Covid-19-Verwerfungen. Und da setzte sich ein Vladimir Putin mit Blick auf die Ukraine auf eine Art in Szene, wie es für uns undenkbar ist. (Er behandelt die Menschen wie zur Zarenzeit als persönliches Eigentum, über das er beliebig verfügen kann.)
Gleichzeitig begannen sich im Westen Ökonomen und Politiker zu fragen, welche negativen Konsequenzen das gigantische Wachstum der grossen Tech-Giganten zur Folge hätte. Aus Schlafwandlern wurden plötzlich aktiv Teilnehmende am Prozess der Monopolstellungen und ihren Auswirkungen auf die Herausforderungen einer intakten, lokalen Konkurrenzsituation. «Der Markt regelt alles» als Devise des Marktliberalismus erhielt ein Fragezeichen. Gleich erging es dem Autor des Bestsellers «The World Is flat», Thomas Friedman. Hatte dieser noch suggeriert, in prosperierenden Globalisierungszeiten, in denen alle Player von allen abhingen, würde niemand Krieg führen, so genügten die Drohgebärden des Despoten Putin, um der Welt etwas Gegenteiliges vorzuführen.
Jetzt wurde die Macht der GAFAs als schädlich wahrgenommen. Die Machtgebärden des Alleinherrschers Russlands ihrerseits riefen völlig vergessene Zeiten des letzten Jahrhunderts in Erinnerung, entsprechend stieg die Verunsicherung. Machtmissbrauch ist gefährlich.
Too big to fail – oder doch nicht?
Im Jahr 2007 rettete der Staat in den USA den Bankgiganten JPMorgan Chase vor dessen Pleite. Das Unternehmen war so gross geworden, dass ein Konkurs unabsehbare Folgen bei Kleinanlegern und Handwerksbetrieben zur Folge gehabt hätte. Dies hätte eigentlich als Warnschuss für die Politik wirken sollen. Doch eine Reaktion blieb aus.
Wie die «ZEIT» berichtete, agierten auch die Grossen der Internet-Wirtschaft «bankenähnlich». Sie gingen daran, ihren Wirtschaftssektor unter sich aufzuteilen. «2005 kaufte Google das Handy-Betriebssystem Android für 50 Millionen $, 2006 YouTube für 1,65 Milliarden $; 2007 die Online-Werbefirma DoubleClick für 3,1 Milliarden $. Dadurch kontrolliert Google heute 70 Prozent des weltweiten Marktes für Handysoftware, es besitzt die grösste Videoplattform im Netz und es dominiert (gemeinsam mit Facebook und Amazon) den Online-Werbemarkt. Bis 2019 kauft Google insgesamt mindestens 270 Unternehmen.» Man muss sich das einmal in Ruhe durch den Kopf gehen lassen.
Wiederholt sich die Geschichte?
Inzwischen sind also die Wettbewerbsbehörden in den USA mit Klageschriften gegen Google und Facebook vorgegangen. Es wird «nun eine mögliche Massnahme genannt, die für europäische Verhältnisse radikal ist. Und die das Ende der beiden Konzerne bedeuten würde. Die Zerschlagung» («ZEIT»).
111 Jahre sind seit 1911 vergangen, als Präsident Theodore Roosevelt die Standard Oil Company – den damaligen Riesenkonzern der Erdölraffinerie – zerschlug und die Eisenbahnmonopole in den USA eine staatliche Regulierungsbehörde vorgesetzt erhielten. Zeichnet sich ein ähnlicher Schlussstrich in der Geschichte des Machtmissbrauchs durch Monopolisten ab?