Angela Merkel erfreut sich derzeit wieder höchster Beliebtheitswerte. Viele Deutsche glauben, dass sie von allen Politikern ihre Interessen am besten vertritt. Die meisten würden wohl zustimmen, wenn man sagte, dass sie sich nicht leicht irritieren lässt. Man kann diese Eigenschaft auch Sturheit nennen.
Die Kosten für diese Sturheit sind in letzter Zeit allerdings erheblich gestiegen. Grosse Empörung hat jetzt die Ankündigung Donald Trumps ausgelöst, die Fertigstellung der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2 mit noch schärferen Sanktionen zu verhindern. Bislang wurden nur jene Firmen bedroht, die am Bau beteiligt sind. Jetzt denkt man in Washington auch darüber nach, Behörden, die mit den Genehmigungsverfahren betraut sind, ebenfalls abzustrafen. Deutschland wird von den USA damit auf eine Stufe mit sogenannten Schurkenstaaten gestellt.
Entsprechend beleidigt reagiert man in Berlin, aber selbst die eher konservative Frankfurter Allgemeine Zeitung sieht in dieser Reaktion auch eine gehörige Portion Heuchelei. Denn jahrelang haben diverse Länder darauf hingewiesen, dass die neue Pipeline Nord Stream 2 massiv gegen ihre Sicherheitsinteressen verstösst:
Allen voran haben Polen und die Ukraine beklagt, dass mit dieser Pipeline ihre letzte Rückversicherung gegen Moskaus Willkür schwindet. Denn als Länder, über die grosse Teile der bisherigen Gaslieferungen erfolgen, verfügen sie über Transit-Einnahmen und vor allem haben sie ein Druckmittel, um sich gegen russische Übergriffe zur Wehr zu setzen. In den damit verbundenen möglichen politischen Konflikten sieht Deutschland wiederum ein entscheidendes Risiko für sich, das mit der neuen Pipeline ausgeschaltet werden soll. Natürlich steht Deutschland weiterhin zu Polen und der Ukraine, klar doch.
Aber auch in der Europäischen Union sind immer wieder Bedenken gegen die energiepolitische Verzahnung Deutschlands mit Russland geäussert worden. Und in Washington sitzt nicht nur der böse Trump, der auf den Tisch haut. Seit Jahren haben auch Demokraten ihr Missfallen zum Ausdruck gebracht, und gegenwärtig stehen Politiker in beiden Häusern des Kongresses hinter den Sanktionen. Merkel hat mit ihrer Sturheit einen nicht unerheblichen Teil bislang befreundeter Länder und Politiker gegen sich aufgebracht.
In diesem Zusammenhang wird Trump nicht müde, äusserst rabiat daran zu erinnern, dass Deutschland auch seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Nato nicht in dem Masse nachkommt, wie es das selbst zugesagt hat. Grobschlächtig ruft Trump gern bei Grossveranstaltungen: „Angela, pay!“ Aber in dem demagogischen Gebaren steckt doch ein berechtigter Kern. Oder was soll man von einer Politikerin halten, die wiederholt Zusagen macht, die sie nicht einzuhalten gedenkt?
Es gibt viele Gründe, an Amerika und insbesondere an Trump Kritik zu üben. Aber wer wiederholt den groben Klotz gibt, soll sich über den groben Keil nicht wundern.