Wir erinnern uns dunkel: Ein internationales Netzwerk von Journalisten wertete in koordinierter Geheimarbeit 260 Gigabyte gestohlener Daten aus. Das Archiv von zwei Trustschnitzerei-Buden in Singapur und in der Karibik war geknackt worden. In der Schweiz waren «Sonntagszeitung» und «Le Matin» beteiligt, in Deutschland «Süddeutsche Zeitung» und NDR. Journalisten platzten fast vor Wichtigkeit, erste «Enthüllungen» machten weltweit Schlagzeilen.
Lachnummer eins
Kurz nach den ersten dünnen Enthüllungen stellte sich heraus, dass diese 260 Gigabyte nur ein Teil von 400 Gigabyte Daten sind, die sich bereits seit 2010 in den Händen diverser Steuerbehörden im angelsächsischen Raum befinden. Die grossartige Weigerung der beteiligten Medien, unter Berufung auf Quellenschutz keinesfalls Informationen an staatliche Behörden auszuhändigen und lieber selber Ankläger und Richter zu spielen, erwies sich als Witz. Eine Unzahl dadurch aufgeworfener Fragen bleibt bis heute unbeantwortet. Zum Beispiel:
Was haben denn die staatlichen Behörden in den drei Jahren, seit sie im Besitz dieser Daten sind, damit gemacht? Waren die Informationen dermassen unergiebig, dass beschlossen wurde, sie nach mehrjähriger Analyse teilweise der Presse zuzuspielen? Wieso forderten die Steuerbehörden vieler Länder Einblick in diese Daten, wenn sie doch schon längst in ihrem Besitz waren? Wieso hat man in den vergangenen Jahren nie etwas von Untersuchungen, Razzien, massenhaften Anklagen gegen Besitzer solcher Trustkonstrukte gehört? Wieso blieben die beiden vom Datendiebstahl betroffenen Firmen in Singapur und auf den Cayman Inseln die ganze Zeit ruhig? Wenn der eigentliche Diebstahl schon 2009 erfolgte, blieb er dann fast vier Jahre lang unbemerkt – oder wurden die Betroffenen schon längst vorgewarnt? Oder ganz einfach gefragt: Handelt es sich um inzwischen 400 Gigabyte voll heisser Luft? Schlichtweg um einen Riesenhaufen gestohlener Finanzunterlagen, die etwa so spannend sind wie die Bankauszüge eines durchschnittlichen Schweizer KMU?
Lachnummer zwei
Im deutschsprachigen Raum machte vor allem ein Name Schlagzeilen: Gunter Sachs. Er erfüllte idealtypisch alle Voraussetzungen. Multimillionär, Playboy, Wohnsitz in der Schweiz. Und tot. Und taucht mit Trust-Konstruktionen in diesem Datenmeer auf. Klarer Fall. Natürlich waren die Journalisten, es gibt ja auch Hausanwälte bei Medienhäusern, gewitzt genug, dem verstorbenen Sachs nicht direkt Steuerhinterziehung oder andere üble Machenschaften vorzuwerfen.
Sie vertrauten zu recht darauf, dass die Mischung Multimillionär, Wohnsitz Gstaad, Trusts und Holdings auf der ganzen Welt, vor allem auf kleinen Inseln im Pazifik und in der Karibik, doch für sich selbst spricht. Da macht sich das Publikum doch selbst seine Meinung. Die Journalisten weisen nur darauf hin, stellen ganz objektiv fest, haben unbestreitbar vorhandene Unterlagen unbestechlich ausgewertet. Dass Sachs eine steuerhinterziehende Schweinebacke gewesen sein könnte, haben sie nicht mal angedeutet. Aber nein, niemals. Dann raunten sie noch, die Steuerbehörde des Kantons Bern habe eine Untersuchung eingeleitet. Der Nachlassverwalter habe zwar erklärt und begründet, dass steuerlich alles völlig in Ordnung sei. Aber bitte, das sagen Anwälte immer, kennen wir doch.
Und die Sendepause
Nach dem ersten Geschäume mit eigenem Logo und immer mit der Andeutung, dass da noch viel, viel mehr im Hintergrund lauere, ist seit mehr als einem Monat Sendepause. Keine neuen Namen, keine weiteren Enthüllungen. Als einziges Lebenszeichen wurden kürzlich, verdienstvolle Arbeit von «La Nación» aus Costa Rica, rund 100 Gigabyte zur allgemeinen Einsicht ins Internet gestellt. Wer sich darin verlaufen will, kann diesen Link benützen. So viel zum Thema heiliger Quellenschutz, der nur eine streng vertrauliche Behandlung der Daten erlaube.
Inzwischen hat auch die behäbige Berner Steuerverwaltung ihres Amtes gewaltet und die Steuererklärungen von Gunter Sachs überprüft. Wie sein Nachlassverwalter mitteilt, liegt ihm ein Schreiben der Behörde vor, dass Sachs sein Vermögen korrekt versteuert habe und die Berner Behörde die Einleitung eines Verfahrens nicht für angezeigt halte.
Tja, damit kann man wohl die Erde über «Offshore Leaks» festklopfen. Es bleibt aber ein übler Geruch in der Luft liegen. Denn natürlich gilt auch für Gunter Sachs, dass ja immer etwas hängen bleibt. Man konnte ihm halt nichts nachweisen. War reich, konnte sich teure und clevere Anwälte leisten. Kennt man ja. Das macht die ganze Affäre um «Offshore Leaks» wirklich unappetitlich.