Es ist nicht das drängendste Problem Europas, aber ein bezeichnendes: Immer wieder kommen die „Goldenen Pässe“ aufs Tapet. Das sind EU-Reisedokumente, die für Millionenbeträge von Ländern wie Malta, Zypern und Griechenland verscherbelt werden. Käufer sind, wie es heisst, Leute aus Russland, China und anderen Brutstätten ultraschnellen Reichtums. Die für viel Geld Eingebürgerten geniessen freien Zugang zum Schengenraum sowie Erleichterungen bei Bankgeschäften in Europa. EU-Justizkommissarin Vera Jourova hat in diesem Zusammenhang kürzlich „grosse Sorgen“ geäussert, vor „Kriminellen“ gewarnt und den baldigen Erlass von „Richtlinien“ angekündigt.
Besonders entschlossen klang Frau Jourova nicht. Sie wird wissen warum. Denn das goldene Geschäft, das da seit Jahren läuft, ist zu profitabel und risikolos, als dass ein Ukas aus Brüssel es gross stören könnte. Jedes EU-Mitgliedland vergibt seine Staatsbürgerschaft nach eigenem Recht, und die Missetäter pflegen sich bei entsprechenden Vorhaltungen in die Brust zu werfen und sich für ihre lupenreinen Prozeduren zu verbürgen.
Bezeichnend ist die ärgerliche Sache, weil sie die Schwächen jeder auf Treu und Glauben beruhenden supranationalen Einrichtung schonungslos offenlegt. Staaten sind Egoisten, sie haben, wie Charles de Gaulle sagte, keine Freunde, sondern nur Interessen. Es ist allerdings fraglich, ob es auf Dauer wirklich im Interesse etwa Maltas sei, die Schengen-Regeln zu unterlaufen, um sich einen Teil des dubiosen Milliarden-Business’ zu sichern. Sich als Paria Europas aufzuführen, dürfte jedem Land auf Dauer schaden.
Für Verächter der EU ist der Skandal der „Goldenen Pässe“ bloss eine weitere Bestätigung. Nach ihrer Überzeugung setzt Brüssel ambitionierte Projekte in die Welt und hat den Laden nicht im Griff. Allein schon deswegen muss Frau Jourova nun liefern. „Richtlinien“ sind nicht, was jetzt nötig ist. Wird der Missstand nicht abgestellt, so freuen sich die Gegner der EU über einen goldenen Steilpass.