Zyperns Finanzsektor drehte ein Bilanzrad, das rund 8-mal grösser war als das BIP, die gesamte Wirtschaftsleistung des südlichen Teils der Insel. Viel zu gross, ungesund, konnte nicht gut gehen, lautet das Verdikt. Nur: Auch die Euro-Insel Malta verfügt über dieses Verhältnis. Und beim Euro-Staat Luxemburg ist es sogar ein Faktor von 22. Ausserdem war das bei der Einführung des Euro auf Zypern Anfang 2008 nicht anders als heute. Das kann’s wohl nicht gewesen sein.
Bank of Cyprus
Erklären wir, was zwischenzeitlich passiert ist, am Beispiel der grössten zypriotischen Bank. Traditionsgemäss hielt die gewichtige Anlagen in griechischen Staatsobligationen. Und trennte sich zu Beginn des Jahres 2010 fast vollständig von ihnen, als die griechische Tragödie offenkundig wurde. Aber bereits im Frühjahr 2010 war die Bank of Cyprus wieder auf der Käuferseite zu finden. Sie investierte rund 2,1 Milliarden Euro in hellenische Staatsschuldpapiere. Der Kurs lag bereits damals bei 70 Prozent des Nominalwerts. Die Idee war also, angesichts der angekündigten Rettungspläne darauf zu spekulieren, dass allfällige Verluste geringer ausfallen würden. Eingepreistes Risiko nennen das die Gläubiger des Marktes. Auch die zweitgrösste Bank Laiki spielte mit Milliarden fröhlich mit.
Betrogene Spekulanten
Im März 2012 erfolgte dann der erzwungene «freiwillige» Schuldenschnitt für Privatanleger in griechischen Staatspapieren. Das führte zu einem Abschreiber von über 75 Prozent oder einem Verlust für beide Banken von mindestens 4,3 Milliarden Euro. Um den abzufedern, kennt man auch in der Schweiz, sprang der Staat ein und wurde zum Hauptaktionär der Banken. Da er sich nicht nur damit überlupfte, bat er im Juni 2012 die EU um Finanzhilfe. Nun kann man den Bankleitungen sicher vorwerfen, dass sie ziemlich scharf spekulierten. Andererseits können sie mit mehr Recht als weiland die UBS argumentieren, dass ein zuvor in der Euro-Zone noch nie dagewesener erzwungener Schuldenschnitt bei bombensicheren Staatspapieren «unvorhersehbar» war.
Alles hängt zusammen
Die beiden zypriotischen Banken bestanden übrigens noch im Juni 2010 und ein Jahr später zwei «Stresstests» der EU problemlos. Kein Wunder: Abschreiber aus Euro-Staatsanleihen waren als Stressfaktor logischerweise nicht vorgesehen. Nun betrifft der umrissartig angekündigte Schuldenschnitt (immer oberhalb der Einlagengarantie von 100'000 Euro) von vorläufig 100 Prozent bei der zweitgrössten Bank Laiki und von mindestens 60 Prozent bei der Bank of Cyprus nicht nur böse russische Oligarchen, nicht minder böse englische Schwarzgeldbunker und die überhaupt nicht böse lokale Geschäftswelt und völlig unschuldige Rentenansparer.
Denn laut den aktuellsten Zahlen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) beliefen sich die Gesamtschulden Zyperns bei ausländischen Banken Ende September 2012 auf rund 33 Milliarden Dollar, davon entfallen allein 7,6 Milliarden auf deutsche Finanzinstitute.
Weg bei Austritt
Ganze 31 Milliarden dieser Schulden bestehen aus Krediten an Unternehmen oder Privatleute in Zypern, Staatsanleihen machen nur vergleichsweise läppische 2 Milliarden aus. Das bedeutet aber, dass bei einem Austritt Zyperns aus dem Euro, mit oder ohne Staatsbankrott, ein Grossteil dieser 33 Milliarden wohl abzuschreiben wären – oder in langjährigen zähen Verhandlungen mit jedem einzelnen Schuldner nur zu einem Bruchteil gerettet werden könnten. Das mag wohl mehr als das Ideal der europäischen Solidarität im gemeinsamen Haus erklären, wieso niemand wirklich an einem Austritt Zyperns aus dem Euro interessiert ist.
Die Geier kreisen bereits
Dann gibt es noch die steuergünstige und sichere Lagerung von grösseren Geldbeträgen, auch gerne in Tarnkonstruktionen wie Holdings und Ähnlichem. Aber auch da ist Zypern ja nicht ganz alleine auf der Welt. Zypriotische Anlageberater werden schon seit Tagen mit Mails von überall auf der Welt bombardiert, ob sie ihren Kunden nicht eine «relocation», also einen Umzug des Geldspeichers, schmackhaft machen wollten. Darunter, wie die «New York Times» schreibt, die üblichen Verdächtigen (bspw. eine Bateman Financial Ltd. auf Cayman Islands) und auch die «Gonthier Group» mit Sitz in Montreux. Die bietet schon auf ihrer Webseite die üblichen Insurance-Wrapper an, Versicherungsmäntel, mit denen der Name des Nutzniessers versteckt wird. In der Schweiz seien wohlverdiente Ersparnisse «sicher vor den neugierigen Augen der Bürokraten», winkt Gonthier mit dem Zaunpfahl.
Malta, Slowenien, Luxemburg
Nicht nur in Zypern geht es Euro-Finanzinstituten eher lau. Mit oder ohne im Feuer stehende Darlehen auf dieser Insel drehen Malta und Luxemburg ebenfalls grosse Finanzräder, und Slowenien hat ein hübsch anwachsendes Refinanzierungsproblem im Bankensektor. Portugal, Spanien, Italien und Frankreich wollen wir zur Abwechslung mal gar nicht erwähnen. Aber eine Frage unermüdlich wiederholen: Selbst unterstellt, dieser «Rettungsplan» sei die beste und einzige Lösung für Zyperns Probleme. Wie, bei Draghi, Schäuble, Barroso, van Rompuy, Dijsselbloem und Anastasiades: Wie soll Zypern denn jemals die neuen (und die alten) Schulden zurückzahlen? Wirklich mit einem Casino?