In einer Plastikmappe sammle ich gelegentliche Lesefrüchte, von denen ich hoffe, dass sie mich bei Bedarf zu Beiträgen für diese Sprach-Kolumne inspirieren. Dieser Tage habe ich wieder einmal in dieser Mappe geblättert. Dabei bin ich auf einen Buchbesprechung in der FAZ vom April 2013 gestossen. Rezensiert werden Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1981/1982.
Akten zur Aussenpolitik der Bonner Republik vor bald 35 Jahren – damals sah die Welt politisch sehr viel anders aus. Es gab noch zwei deutsche Staaten, Helmut Schmidt regierte in Bonn am Rhein als Bundeskanzler und Ronald Reagan hatte soeben sein Amt als neuer amerikanischer Präsident angetreten. Kaum jemand dachte im Ernst daran, dass ein paar Jahre später die Berliner Mauer verschwinden würde, die beiden deutschen Nachkriegsstaaten sich vereinigen sollten und die Regierung des neuen Gesamtdeutschland dann wieder in Berlin residieren würde.
Solche Ideen kamen damals auch dem amtierenden Bonner Bundeskanzler Schmidt, den die deutsche Presse sonst gerne als weitblickenden Weltökonomen titulierte, nicht in den Sinn. Laut den inzwischen veröffentlichten Akten erklärte Schmidt in einem Gespräch mit dem amerikanischen Botschafter im Juli 1982 zum Thema Wiedervereinigung, „dass sie in diesem Jahrhundert nicht möglich sei“, sie vielmehr „um Lichtjahre entfernt, also völlig unrealistisch“ bleibe. Der skeptisch-vorsichtige Genscher, damals noch Aussenminister in Schmidts Regierung, dem dieses Gesprächsprotokoll offenkundig vorgelegt wurde, setzte daneben ein Ausrufezeichen und schrieb hinzu: „Na, na.“ Ein schönes Beispiel dafür, dass allerkürzeste Bemerkungen - zum richtigen Zeitpunkt und im richtigen Kontext gesetzt – selbst für die Nachwelt vielsagender und hintergründiger sein können, als ellenlange Sentenzen und Erklärungen.
Ein anderes Fundstück in meiner losen Sprachmappe betrifft die Zuschrift einer NZZ-Leserin vom Mai 2012. Darin fragt diese bekümmert, ob selbst das gute alte Zürcher Weltblatt „dermassen ‚vergermanisiert‘“ sei, dass „das schweizerische Wort ‚Metzger‘ nicht mehr genehm ist“? Nach einer kurzen Testprobe im NZZ-Archiv kann ich die Leserin beruhigen. Allein in den ersten anderthalb Monaten des laufenden Jahres erzielt das Stichwort „Metzger“ nicht weniger als 59 Treffer. Das angeblich germanischere Wort „Fleischer“ bringt es dagegen lediglich auf 8 Treffer. Selbst wenn man davon ausgeht, dass bei beiden Stichproben die „Metzger“- und „Fleischer“-Beispiele etwa zur Hälfte für entsprechende Familiennamen stehen, kann von einer sprachlichen Diskriminierung des Metzgers nicht die Rede sein.
Ebenso abwegig wäre die Behauptung, dass das gern zitierte Sprichwort „Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber“ (das fälschlicherweise Brecht zugeschrieben wird) als sprachlich unkorrekt auf dem helvetischen Sprachindex gelandet wäre.