Offiziell ist der Abstimmungskampf gegen die Abzocker-Initiative der «Economiesuisse» so rund 8 Millionen Franken wert. Davon hätte man vielleicht einen gewissen Prozentsatz für Denkarbeit reservieren können. Aber das ist bei Dinosauriern so eine Sache. Die «Vertretung von 100'000 Schweizer Unternehmen» hat zwar schon Ideen. Aber keine guten.
Gekaufter Schaden I
Zunächst einmal wurden Studenten angemietet, die nach kurzer Schulung unter gefälschten E-Mail-Adressen in Form von Kommentaren in den Medien gegen die Minder-Initiative wetterten. Kann man machen, wenn man’s kann. Als das aufflog, übernahm die organisierende Werbeagentur die volle Verantwortung, «Economiesuisse» distanzierte sich und verkündete, dass das natürlich kein Grund sei, die Zusammenarbeit mit so krummen Gestalten aufzukündigen. Im Minder-Lager wischte man sich die Lachtränen aus den Augen.
Gekaufter Schaden II
Was mit Studenten geht, geht doch auch mit Professoren, dachte sich dann die «Economiesuisse». Also kaufte sie sich für 80'000 Franken ein Gefälligkeitsgutachten des Bankenbüttels Professor Kunz. Der kam wunschgemäss zum Ergebnis, die Initiative sei «ein Irrweg», «eine Skurrilität». Das wurde mit grossem Trara der Weltöffentlichkeit vorgestellt. Nur: Ausser indigniertem Gelächter erfolgte keine Reaktion. Rausgeschmissenes Geld, mehr Schaden als Nutzen erzielt.
Gekaufter Schaden III
Wir leben in einem multimedialen Zeitalter, überlegte sich dann die «Economiesuisse». Kaufen wir uns doch einen Star-Regisseur, drücken dem 300'000 Franken in die Hand, der dreht dann einen «Angstmacher-Film» gegen die Initiative, wie das die Zeitung «Der Sonntag» nennt. Also ging Michael Steiner («Sennentuntschi») ans Werk. Schon dieser Horrorstreifen war zwar ein Kassenflop, und in einem Interview hat Steiner vor kurzem hellsichtig als Zürichs grösstes Problem bezeichnet, dass «alles Geld kostet, sogar der Müll und was sonst noch alles darunter zu verstehen ist».
Dennoch drehte er aus Spargründen in Budapest drei Minuten Müll. Das Ergebnis ist offenbar so verstörend, dass sich «Economiesuisse» bis heute nicht traut, das Propagandafilmchen auszustrahlen. Immerhin: So wird Geld gespart, denn Werbezeit am TV ist teuer.
Gekaufter Schaden IV
Wenn ein professorales Gutachten im Kampf gegen die Abzocker-Initiative schon ein durchschlagender Erfolg war, dann probieren wir das doch auch gleich bei der Verhinderung des Ausstiegs aus der Atomenergie, dachte der Dinosaurier «Economiesuisse». Das Schweizer Bruttoinlandprodukt könne um bis zu 25 Prozent schrumpfen, alarmierte der Verband, gestützt auf eine in Auftrag gegebene «Studie» der ETH Zürich. Nur: Zu dieser kühnen Prognose kommt man nur, wenn alle Annahmen dafür hingedreht werden. So nach der Devise: Rote Ampeln sind eine riesige Unfallgefahr. Warum? Nun, wenn einer nicht davor stehenbleibt ...
Kollateralschaden
Immerhin hat Daniel Vasella, der alles dafür tut, dem Begriff Abzocker ein Gesicht zu geben, angekündigt, vom Vorstand der «Economiesuisse» zurückzutreten. Nach seinem vergoldeten Abgang bei Novartis würde ihn das beim Geldausgeben wahrscheinlich stören. Allerdings verliert der Dinosaurier damit einen Vertreter, der wenigstens weiss, wie man Geld einnimmt, statt es sinnlos auszugeben. Jedoch sind mit Rolf Dörig (Swiss Life), Andreas Burckhardt (Bâloise), Urs Rohner (Credit Suisse) oder Lukas Gähwiler (UBS) noch genügend Vorstandsmitglieder vorhanden, die diese Tradition aufrecht erhalten können.
Schadensbilanz
Man kann mit Fug und Recht für und gegen dieses oder jenes sein. Man kann als Interessenvertretung Studenten, Professoren und Regisseure mieten. Man kann – wer zahlt, befiehlt – dafür die gewünschten Ergebnisse erwarten. Aber um Himmels willen, wie bringt man es fertig, mit viel Geld einen möglichst grossen Schaden an der eigenen Sache anzurichten?
Macht Geld also dumm? Eigentlich nicht, denn Geld ist ja nur Mittel zum Zweck. Aber etwas überlegen vor dem Ausgeben kann auch nicht schaden. Sonst macht Geld tatsächlich dumm. Ob sich das die «100 Branchenverbände, 20 kantonalen Handelskammern sowie Einzelfirmen» schon überlegt haben, die mit ihren Mitgliederbeiträgen diese Dummheiten finanzieren?