Der Islam gehöre zu Deutschland, verkündet Kanzlerin Angela Merkel. Sie wiederholt, was ihr Parteifreund, Ex-Bundespräsident Christian Wulff, in einer Rede 2010 konstatierte, der es wiederum Wolfgang Schäuble abgekupfert hat. Schäuble, damals Innenminister, befand an einer 2006 von ihm initiierten Islamkonferenz, dass der Islam „Teil Deutschlands“ sei.
Mit dem Gegenteil dieser Aussage, mit dem Satz, „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“, macht derzeit Horst Seehofer, der neue Innen- und Heimatminister, Furore. Drei Viertel der Deutschen sollen seine Meinung teilen, wenn man jüngsten Umfragen trauen will.
Das Thema wirft Wogen, die Emotionen kochen hoch. Es zeigt wieder einmal aufs Schönste die Macht der Sprache, insbesondere die Macht der nebulösen, meistens der in ebenso einprägsamen wie nichtssagenden Worthülsen abgesonderten Sprache, die man von Politikerinnen und Politikern gewohnt ist. Unheimlich bleibt trotzdem, dass derlei Banalitäten so grossen Nachhall zu produzieren vermögen.
Wenn in einem Land wie Deutschland vier Millionen Muslime leben, dann „gehören“ sie mit allem, was sie sind und glauben, zu Deutschland. Das zu bestreiten, erscheint lächerlich. Aber natürlich meinen Merkel und Seehofer nicht diese rein numerische Art von Zugehörigkeit, sondern die kulturgeschichtliche an den Glauben, „den Islam“, gebundene, die sie dem Christen- und dem Judentum gleich- oder eben nicht gleichstellen wollen.
Nur ist es in diesem Zusammenhang fatal und fahrlässig, von „dem Islam“ zu sprechen, den es in solcher Absolutheit, wie doch jedermann weiss, nicht gibt, der sich je nach Land, Mentalität, Philosophie, Geschichte, ganz verschieden manifestiert. Welche Art von Islam zu Deutschland gehört und welche nicht, darüber lässt sich streiten, was ja auch ausgiebig getan wird. Die Merkelschen wie die Seehoferschen Kurzformeln sind in diesem Zusammenhang wenig hilfreich.