Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat der Grünen-Politikerin Renate Künast in ihrer Beschwerde gegen ein Urteil des Berliner Kammergerichts recht gegeben. In der Folge kann sie verlangen, dass Facebook die Daten von denjenigen, die sie auf dieser Plattform beleidigen, herausgibt.
Das Urteil des Berliner Kammergerichts vom September 2019 hat weithin für Unverständnis gesorgt. Denn es hat auf Renate Künast gerichtete übelste Beschimpfungen nicht als Beleidigungen anerkannt und daher den Anspruch abgewiesen, gegen die Autoren derartiger Verbalinjurien persönlich vorzugehen. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Urteil jetzt als völlig verfehlt zurück gewiesen und damit den Weg zur Ahndung von Hassreden im Netz freigemacht.
Es ist eine alt bekannte Tatsache, dass in der Anonymität Ausbrüche von Hass und Gewalt gedeihen. Seit Jahrzehnten gibt es dazu verstörende Untersuchungen. Das Internet mit den sogenannten sozialen Netzwerken hat dafür nur eine neue Bühne geschaffen. Zudem lässt sich seit längerer Zeit eine Zunahme von Hassausbrüchen auch auf Strassen und in öffentlichen Räumen beobachten. Der Hass nimmt zu.
Verbieten kann man ihn nicht, und Appelle, die mit Vorliebe bei Gedenkveranstaltungen vorgetragen werden, dürften wohl nur diejenigen erreichen und überzeugen, die ohnehin nicht zum Hass neigen. Die Geschichte lehrt und die Gegenwart zeigt, dass wir mit einem geradezu uferlosen Hass leben müssen, der sich wie Epidemien zwar eindämmen, aber nicht beseitigen lässt. Er ist immer da und wartet nur auf die Gelegenheit zum Ausbruch.
Insofern könnte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wie ein Trostpflaster wirken, dass an der harten Tatsache des schamlosen Hasses nichts ändert. Aber das wäre ein Irrtum. Denn für diejenigen, die zum Ziel von Hassausbrüchen werden, ist es entscheidend, sich wehren zu können. Die Verletzungen werden dadurch zwar nicht wettgemacht. Aber übelste Beleidigungen als durch die Meinungsfreiheit gedeckt einfach hinnehmen zu müssen, ist unerträglich. Dass das Berliner Kammergericht darüber eiskalt hinweggegangen ist, ist jetzt vom Bundesverfassungsgericht mit Recht gerügt worden.
Gerade weil Anonymität zudem die Hemmschwellen senkt und damit zu einer ständigen Steigerung verbaler Attacken führt, ist es nicht unwichtig, hier jedem Einzelnen sein juristisches Risiko vor Augen zu führen. Er wird dadurch zwar kein besserer Mensch, aber es muss klar sein, dass Hassausbrüche ebenso belangt werden können wie Diebstähle oder andere Straftaten.
In einer Zeit, in der bestimmte Gruppen nicht empfindlich genug sein können, wenn es um die Einbeziehung diverser Geschlechter in Anreden oder die Vermeidung vermeintlich diskriminierender Ausdrucksweisen geht, kann man sich nur wundern, mit welcher Nonchalance Hassausbrüche in sozialen Netzwerken hingenommen wurden und noch werden. Es ist gut, dass das Bundesverfassungsgericht jetzt die Schutzbedürftigkeit von Opfern stärker in den Fokus gerückt hat. Hassreden können jetzt nicht mehr als eine blosse Form der Meinungsäusserung verniedlicht werden.