Sechsmal die Fläche der Schweiz, 7,5 Millionen Einwohner: Laos, das südostasiatische Binnenland macht wenig von sich reden. Mit schwacher Wirtschaft und hoher Verschuldung treibt es in immer grössere Abhängigkeit vom mächtigen, expansiven Nachbarn China.
Laos gilt vielfach als Land des Lächelns, des gemächlichen Tempos und der Freundlichkeit. Der noch verhältnismässig gering entwickelte Fremdenverkehr spielt gern diese Karte. Von Touristikern ist etwa zu hören, in Laos könnten Besucher idyllische Zustände antreffen, wie sie vor einem halben Jahrhundert in Thailand zu finden gewesen seien. Es könnte jedoch bald so weit sein, dass nostalgische Laos-Reisende kaum mehr etwas finden, was nach heiler Welt aussieht.
Noch nicht überwundene Kriegswirren
Die Demokratische Volksrepublik Laos ist ein junger Staat, und das in doppelter Hinsicht. Zum einen ist er erst 1975 gegründet worden als sozialistischer Einparteienstaat unter der autoritären Herrschaft der Laotischen Revolutionären Volkspartei (LRVP). Zum anderen ist die Bevölkerung sehr jung: Der Median des Alters lag 2020 bei 23,5 Jahren; fast ein Drittel der Menschen sind unter fünfzehn Jahren, während nur gut vier Prozent über vierundsechzig sind.
Die jüngere Geschichte des Landes ist geprägt von Fremdherrschaften und Kriegen. Im 19. Jahrhundert geriet Laos unter französische Vormundschaft und war als Protektorat in die Kolonie Französisch-Indochina integriert. Die Zeiten der Franzosenherrschaft waren für Laos verlorene Jahre. Pläne der Kolonialmacht zur Entwicklung der Region scheiterten regelmässig; vielleicht wurden sie gar nie ernsthaft verfolgt.
Im Widerstand gegen die fremden Herren wurde die Idee einer laotischen Nation geboren. Wie auch in benachbarten Gebieten verband sich der nationale Aufstand mit revolutionärer Politik. Ho Chi Minh gründete 1930 die Kommunistische Partei Indochinas mit dem Ziel, die Kolonialherren zu vertreiben. Doch der Zweite Weltkrieg vereitelte diese Bestrebungen. Zusammen mit fast ganz Südostasien wurde auch Laos von den Japanern besetzt.
Nachdem Japan 1945 kapituliert hatte, erklärte Laos seine Unabhängigkeit. Sie dauerte indes nicht lange. 1949 geriet das Land erneut unter französische Herrschaft, die allerdings ebenfalls von kurzer Dauer war. Nach der militärischen Niederlage bei Dien Bien Phu gab Frankreich in der Genfer Indochinakonferenz 1954 seine kolonialen Ansprüche in Südostasien auf und anerkannte unter anderem die Souveränität von Laos. Doch das Land kam nicht zur Ruhe. In einem von der Weltöffentlichkeit unbeachteten Krieg kämpfte die kommunistische, von Nordvietnam unterstützte Pathet-Lao-Guerilla gegen die Hmong-Rebellen, die von der CIA organisiert waren.
Laos, obwohl offiziell im Vietnamkrieg neutral, wurde zu einem der grössten Opfer dieses verheerenden Kriegs. Der Grund lag darin, dass die Nordvietnamesen ihren Nachschub für das südvietnamesische Schlachtfeld über den legendären Ho-Chi-Minh-Pfad organisierten, ein Netz von Strassen und Dschungelwegen, das grossenteils über laotisches Gebiet verlief.
Dieses Versorgungssystem bombardierten die USA mit beispielloser Intensität. Im Verlauf des Kriegs warfen sie pro Kopf der laotischen Bevölkerung 2,5 Tonnen an Sprengsätzen ab. Laos gehört bis heute zu den am schwersten bombardierten Ländern der Welt. Noch immer liegen in laotischem Boden riesige Mengen an Blindgängern und Landminen. Die USA haben sich seither nie nennenswert an der Räumung dieser tödlichen Hinterlassenschaft beteiligt.
Stagnation unter autoritärer Führung
Nach dem Ende des Vietnamkriegs übernahmen 1975 die Pathet Lao die Macht und proklamierten die Demokratische Volksrepublik Laos. Weil in dem autoritär geführten Land Rechtsstaatlichkeit und wirtschaftliche Entwicklung im Argen liegen, herrschen seither Stagnation und Instabilität. Nach wie vor sind Widerstandsgruppen der Hmong aktiv, und es wird von schweren Menschenrechtsverletzungen des Militärs im Kampf gegen die Aufständischen berichtet.
Laos gehört nach Unctad-Kriterien zu den 45 Least Developed Countries (LDC, am wenigsten entwickelte Länder). Immer wieder verschobenes Ziel der Regierung ist es, aus dieser untersten Entwicklungskategorie aufzusteigen. Zurzeit ist dessen Erreichung auf 2026 terminiert, doch bislang deutet wenig darauf hin, dass bis dann der LDC-Status überwunden werden könnte.
Die desolate Lage spiegelt sich in diversen politischen und wirtschaftlichen Indizes. So liegt das Land beim Demokratie-Index des «Economist» bei 1,77 von 10 (Rang 159 von 167). Der Index von «Freedom House» sieht das Land in Sachen Freiheit bei 13 von 100 Punkten. «Reporter ohne Grenzen» platziert Laos bei der Medienfreiheit auf Rang 160 von 180. Und «Transparency International» gibt wegen der grassierenden Korruption 31 von 100 Punkten (Rang 126 von 180). Der Global Competitive Index des WEF, eine Messgrösse für Wirtschaftskraft, platziert Laos auf Rang 98 von 137 (Stand 2017/18).
Übermächtiger chinesischer Einfluss
Vor zwei Jahren bekam Laos seine erste Eisenbahnlinie. Die Chinesen haben eine über 400 Kilometer lange Hochgeschwindigkeitsstrecke vom chinesischen Kunming zur laotischen Hauptstadt Vientiane an der thailändischen Grenze gebaut. Mit 167 Brücken und 75 Tunneln durchschneidet die Nord-Süd-Transversale das gebirgige Binnenland. Die Zugverbindung ist Teil des Grossprojekts «Neue Seidenstrassse», in dessen Rahmen in mehr als sechzig Ländern Asiens, Europas und Afrikas Infrastrukturbauten errichtet werden.
Die dahinterstehende Strategie ist allein von China definiert. Ebenso stammt die Finanzierung von China – mit der Folge, dass sich die mit Seidenstrassen-Projekten beglückten Länder massiv bei China verschulden. Für Laos, das bei schwacher Wirtschaftsleistung ohnehin unter seiner Schuldenlast ächzt, fällt die Neuverschuldung besonders ins Gewicht. Sie vergrössert und perpetuiert die Abhängigkeit des kleinen Landes vom übermächtigen Nachbarn.
Der chinesische Einfluss ist in Laos schon jetzt dominant. China baut nebst der Hochgeschwindigkeitsstrecke auch Staudämme und Elektrizitätswerke, zudem betreibt es Projekte in Landwirtschaft, Bergbau und Kautschukproduktion. Sollte Laos die Schulden, die es bei China hat, nicht mehr bedienen können, so fallen die entsprechenden Besitzrechte gänzlich an den Kreditgeber.
Viele in Laos fürchten für ihr Land ähnlich desaströse Folgen, wie sie das chinesische Engagement exemplarisch für Sri Lanka zeitigt. Dort hat China riesige Infrastrukturprojekte finanziert, zum Beispiel den Hafen von Hambantota. Dessen geplante Renditen bleiben aus, doch Sri Lanka schuldet Zinsen und Amortisationen. Das ökonomisch erschöpfte Sri Lanka bleibt beides schuldig und musste daher den neuen Hafen für 99 Jahre an China verpachten.
Laos könnte ein nächstes Opfer dieser aggressiven chinesischen Wirtschaftspolitik werden. Nach überstandener französischer, japanischer und wieder französischer Fremdherrschaft droht dem Land in der chinesischen Schuldenfalle eine neue Form der Fremdbestimmung.