Die nur von Ankara anerkannte „Republik Nordzypern“ und die Türkei versuchen diese Probebohrungen zu verhindern. Die türkische Regierung droht sogar mit der Entsendung von Kriegsschiffen.
Worum geht dieser Streit? Die internationale Seerechtskonvention von 1982 spricht jedem Küstenstaat neben einer Hoheitszone von zwölf Seemeilen eine „ausschliessliche Wirtschaftszone“ zu, die nach komplizierten Berechnungen festgelegt wird. Dem Vertrag sind 162 Staaten beigetreten. Darunter befinden sich aber weder die USA noch die Türkei.
Israelische und US-Firmen suchen seit Jahren den Boden des östlichen Mittelmeers nach fossilen Energiequellen ab. Israel behauptet, fündig geworden zu sein, und hat ein grosses Gebiet zu seiner ausschliesslichen Wirtschaftszone erklärt. Nicht mit der einseitig vorgenommenen Aufteilung des Meeresgrundes einverstanden ist Israels Nachbar Libanon, doch die libanesische Regierung hat wenige Mittel, sich den grossen Wirtschaftsinteressen zu widersetzen.
Auch das energiearme Zypern sieht goldene Zeiten anbrechen. Die international anerkannte griechisch-zypriotische Regierung hat die in Houston, Texas, beheimatete Firma Noble Energy mit Probebohrungen südöstlich der Insel beauftragt und mit ihr ein Abkommen über „Product Sharing“ abgeschlossen.
280 Milliarden Kubikmeter Erdgas
Das israelische Unternehmen Delek erhielt eine „Option“, sich an den Arbeiten zu beteiligen. Sogar einen Namen hat man für die erhofften Erdgasvorkommen schon gefunden: Aphrodite. Nach der Mythologie entstieg die Göttin der sinnlichen Liebe, Schönheit und Verführung an einem zypriotischen Strand dem Schaum des Meeres.
Aphrodite grenzt an die israelischen Felder Leviathan und Noa, in denen die Noble Energy schon intensiv bohrt. Wenn man den Schätzungen der Experten von Noble glaubt, so winkt Zypern ein Milliardengeschäft.
Angeblich schlummern unter dem Meeresgrund des Aphrodite-Felds 280 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Noble schlägt den Bau einer Anlage zur Verflüssigung des gewonnenen Gases vor. Vom Export des Grossteils des erzeugten Flüssiggases erhoffen sich die Zyprioten Erträge in der Höhe von zehn Milliarden Euro jährlich. Im Gespräch sind auch Unterwasser-Pipelines in den energiehungrigen Westen.
Was die türkische Regierung zu hemdsärmeligen Drohungen gegen das Projekt treibt, ist ihre Befürchtung, dass der seit 1974 abgespaltene nördliche Teil Zyperns leer ausgeht. Zwar betonen die Griechisch-Zyprioten ständig, dass die türkischstämmigen Landsleute in der „Republik Nordzypern“ an den Gewinnen beteiligt würden.
Irgendwelche konkrete Zusagen gibt es aber nicht. Solange keine Einigung über den künftigen Status der Insel entweder durch Wiedervereinigung oder durch die Schaffung einer Konföderation gelingt, scheint die Teilung möglicher Einkommen aus Off-Shore-Gasförderung unwahrscheinlich. Die bisherigen Verhandlungen zwischen den beiden zypriotischen Gemeinschaften sind noch nicht einmal bei einer Abgeltung der durch den Krieg und die Massenflucht von 1974 verlorenen Vermögenswerte angelangt.
Der international anerkannte zypriotische Präsident Demetris Christofias, eigentlich kein Hardliner, hat den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan dieser Tage öffentlich der „Arroganz“ bezichtigt.
Partei für die Griechisch-Zyprioten ergriffen
Die Türkei habe kein Recht auf Hegemonieansprüche in der Region. Christophias besitzt zwar keine nennenswerte Luftwaffe oder Flotte, um sich den Hegemoniebestrebungen der Türkei im östlichen Mittelmeer zu widersetzen. Dafür kann er auf starke diplomatische Unterstützung zählen. Die USA, die EU, Israel und sogar Russland haben im Erdgasstreit Partei für die Griechisch-Zyprioten ergriffen - wohl nicht ganz ohne politische und wirtschaftliche Hintergedanken.
UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon hat die Führer der Griechisch- und der Türkisch-Zyprioten für Ende Oktober nach New York einberufen, um ihren Dauerkonflikt zu lösen. Das letzte Treffen in Genf verlief ergebnislos. Ban Ki-Moon fordert, dass die beiden Parteien jetzt konkrete Vorschläge in ihrem Gepäck mitbringen. Verhandlungen zwischen den beiden Gemeinschaften laufen derzeit in Nikosia. Sie haben bisher noch keine Fortschritte gezeitigt. Im Diplomatenjargon ist die „zypriotische Lösung“ mittlerweile zu einem Begriff geworden, der einen Zustand beschreibt, mit dem niemand zufrieden ist, den aber niemand ändern will.