Alle wichtigen Notenbanken der Welt haben wieder mal angekündigt, dass sie an ihrer Politik der Niedrigzinsen festhalten werden. Leitzinsen um den Nullpunkt, Gratisgeld für Banken, nur so komme die Wirtschaft wieder auf Touren. Hat bislang nichts genützt, hat eine tödliche Nebenwirkung: Alle Sparer zahlen die Zeche. Vor allem dort, wo es ans Lebendige geht: bei der Altersversorgung.
Die grossen Zahlen
Immerhin die Weltbank und das Institut der Deutschen Wirtschaft, beide nicht als systemkritisch bekannt, haben mal Kassensturz gemacht. 23 Länder weltweit sind von Negativzinsen betroffen. Das bedeutet, der Zinssatz auf Sparanlagen liegt unterhalb der offiziellen Inflationsrate. Das bewirkt, dass Sparer zurzeit in diesen Ländern rund 100 Milliarden Euro verlieren, pro Jahr. Alleine in Deutschland sprechen wir von 14,3 Milliarden. Das sind keine Peanuts, das ist ein gigantischer Betrag. Am härtesten trifft es diejenigen, die diesen Verlust nicht mehr wettmachen können: die zukünftigen Rentner.
Die könnten sich mit dem Gedanken trösten, dass ja staatliche Rentensysteme feste Renten garantieren. Nichts wäre verfehlter, denn selbstverständlich können die meisten dieser Staaten ihre Rentenversprechen schon längst nicht mehr finanzieren. Das nennt man implizite Schulden, die in Staatshaushalten nicht ausgewiesen werden müssen. Sie übersteigen aber die expliziten Schulden, die ja beispielsweise in der Eurozone im Schnitt schon bei über 90 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) liegen, noch um ein Vielfaches. Schon diese expliziten Schulden sind schlichtweg unbezahlbar, können nur weginflationiert werden – oder durch das Rasieren der Gläubiger, einen «freiwilligen» erzwungenen Schuldenschnitt. Wie in Griechenland und Zypern bereits durchexerziert.
Das Ponzi-Schema
Ein Herr Ponzi gilt als Erfinder des Schneeballsystems. Zahle aktuelle Erträge aus aktuellen Einnahmen, nicht aus Gewinnen. Das macht eine Zeitlang die Anleger froh, bis dann die ganze Pyramide krachend zu Staub zerfällt und alle sich fragen, wie man denn nur so blöd sein konnte.
Der moderne Staat ergänzt dieses System noch durch das einzige, was Ponzis, Madoffs und viele andere nicht konnten und können: Als Herr des Leitzinses pickelt er Jahr für Jahr allen Sparern hübsche Beträge ihrer Sparbatzen weg. Und verspricht munter Renten, die nur bei einer Verzinsung möglich wären, die heutzutage mit sicheren Anlagen überhaupt nicht zu erzielen sind. Nicht mal durch die Aufnahme neuer Schulden, was aber auch nur bedeuten würde, dass zukünftige Generationen die aktuelle Altersversorgung bezahlen müssten, statt sich auf ihre Renten zu freuen. Der Trick dabei: Der einzelne Sparer merkt es kaum, obwohl es sich um 100 Milliarden pro Jahr handelt. Und was gehen uns die kommenden Generationen an.
Die Insel der nicht so Seligen
Na und, mag da der Schweizer Leser denken, dank unseres Drei-Säulen-Prinzips geht uns das doch nichts an. Die AHV mag ihre kleinen Probleme haben, einzelne Pensionskassen mögen an Unterdeckung rumlaborieren, aber da gibt es doch noch die Säule 3a. Da empfehle ich, mal tief Luft zu holen und diese Aufstellung im «Tages-Anzeiger» zu betrachten. Nur beim absoluten Spitzenreiter der Verzinsung eines 3a-Kontos lag der Ertrag in den letzten 5 Jahren bei 2,5 Prozent. Damit wurde die Teuerung (2,1 Prozent im gleichen Zeitraum) knapp geschlagen. Bei der ZKB lag der Ertrag bei 1,8 Prozent. Also beim üblichen Effekt: Der Sparer verliert Geld, indem er Geld verleiht. Nicht, weil er spekulieren will, sondern wenn er Altersvorsorge betreibt.
Die CS hat auf Anfang August den Zins für 3a-Konten auf 1,25 Prozent gesenkt, sie liegt damit voll im Trend. Und da ein Ende der Niedrigzinspolitik nicht abzusehen ist, ist auch ein Ende dieser Perversion, dieser Umkehrung des Normalen – ein Gläubiger bekommt eine Risikoprämie für seinen Glauben, dass er sein ausgeliehenes Geld zurückbekommt – nicht in Sicht.
Die andere Seite der Medaille
Jede finanztechnische Stellschraube hat immer mindestens zwei Auswirkungen. Niedrigste Zinsen, gar negative, sind schlecht für den Gläubiger. Aber gut für den Schuldner. Sei es der Staat, sei es ein Unternehmen, sei es eine Privatperson. Billiges Geld befeuert Spekulation und Zockerei, billiges Geld pumpt Blasen auf. In den USA kaufen Private-Equity-Buden immer schneller Unternehmen mit fast gratis geliehenem Geld auf – und kassieren den Gewinn via Dividendenausschüttungen ab. Die Schulden lasten auf der übernommenen Firma. Gehen die Zinsen wieder rauf, ist die Firma pleite, nicht der Investor.
In der Schweiz gibt’s das auch; aber vor allem pumpt sich hierzulande immer bedrohlicher eine Immobilienblase auf. Wenn jeder Durchschnittsverdiener mit 20'000 Franken im Jahr eine Million finanzieren kann, wieso sollte er das nicht tun? Steigt die Zinslast auf 50'000, was völlig normal wäre, dann ist er pleite. Und sein Eigentum kann er auch nicht mehr verlustfrei verkaufen, weil das längst nicht mehr eine Million wert ist. Passiert das gehäuft, ist die verleihende Bank am Rande des Bankrotts.
Dann hat der Alterssparer ganz andere Probleme, als dass er Verlust mit seinem Sparbatzen in der Säule 3a macht. Denn solche Anlagen sind nicht durch die Einlagesicherung geschützt, die sowieso nur bis 100'000 Franken gilt. Und Preissteigerungen bei Immobilien sind kein Bestandteil der Berechnung der Inflationsrate. So viel zur Seriosität dieser Zahl.