Haben die Frauen tatsächlich die in den Medien oft zitierte gläserne Decke endlich durchbrochen? Oder hat der Frauenpower mit der zunehmenden Komplexität der heutigen Umweltbedingungen zu tun? Oder vielleicht eher mit der Persönlichkeitsstruktur der Führungskraft?
Ist die Emanzipation an ihr Ziel gelangt?
Ich meine Ja und auch Nein. Endlich sind es Frauen, die an die Schaltstellen der Politik gelangt sind. Natürlich ist das heute nicht mehr so selten wie vielleicht noch vor 20 Jahren. Soweit so erfreulich. Welches sind aber die hierfür begünstigenden Bedingungen? Die Emanzipationsbewegung der Frau war vor 20 Jahren aktiver und aggressiver als heute und die Frauen konsequenter in der Durchsetzung der Gleichberechtigung. Waren es die Vorkämpferinnen, die den heutigen Durchbruch der Frau erst möglich machten?
Sicher ist dies eine wesentliche Bedingung dafür, dass Frauen an die Spitze der Politik und auch Wirtschaft gelangen können. Eine Frage stellt sich dennoch: Wie kommt es, dass gerade jetzt mehrere Frauen in politische Spitzenfunktionen gelangen? Die heutige politische Situation ist komplexer und schwieriger geworden. Es gibt nicht mehr so viele „Blumentöpfe“ zu gewinnen. Im Rahmen des Brexit haben einige Herren ein heilloses Chaos angerichtet und haben kurz danach den Rückzug angetreten. Es scheint, dass in schwierigen und komplexen Situationen, in denen das Risiko zu fallieren hoch ist, Frauen bessere Chancen haben als in „Schönwetterlagen“.
Nun können wir aber mit Fug und Recht behaupten, dass es auch Männer gibt, die sich im Chaos zurechtfinden, standhaft bleiben, sich der Sache verpflichten und persönliche Risiken einzugehen bereit sind. Vielleicht funktioniert die Mann-Frau-Schiene als Erklärungsansatz nur bedingt.
Wie entscheidend sind Persönlichkeitsmerkmale?
Stellen wir die Frage: Wie ist es dazu gekommen, dass jemand eine Führungsposition inne hat? So finden wir neben dem Geschlechterunterschied auch Persönlichkeitsmerkmale als Erklärungsansatz. Es gibt Führungspersonen, die sich vornehmlich und bedingungslos einer Sache, einer sozialen Gemeinschaft oder der Position an sich verpflichten. Die Motivation für eine Führungsrolle ist somit weniger geschlechtsspezifisch begründet. Es gibt gleich viele Männer wie Frauen, die sich einer sozialen Gemeinschaft verpflichtet fühlen und zum Beispiel Arbeitsplätze erhalten oder ausbauen wollen. Es gibt auch gleich viele Männer wie Frauen, die sich für eine Sache verpflichten und ein Projekt durchziehen wollen, weil sie glauben, dass das was sie tun wichtig und richtig ist. Weil es der Sache nützlich und dienlich ist. Weil es ein Land oder eine Gemeinschaft weiter bringt. Es gibt aber statistisch gesehen immer noch mehr Männer als Frauen, die eine Führungsfunktion übernehmen, weil sie damit Status und Prestige erzielen wollen.
Möglich, dass wir Frauen auch in dieser Motivationsbildung aufholen. Rein positionsfokussierte Führungskräfte übernehmen keine Risiken, die der Position gefährlich werden können. Sie scheuen das Chaos und unsichere Verhältnisse, in denen viel gearbeitet und wenig brilliert werden kann. Sie definieren sich über ihre Position und den Status. Dabei leidet die sachliche Auseinandersetzung. Die Wahrung der Interessen einer Gemeinschaft steht nicht in ihrem Fokus.
Frauen an der Spitze bieten heute also eher eine gewisse Garantie, dass sie aus sachbezogenen oder sozialen Motiven eine Führungsposition übernehmen wollen. Sie nehmen eher der Sache wegen persönliche Risiken in Kauf. Vor Schönwetterpiloten, Blendern mit holzschnittartigen Schwarz-weiss-Ansichten mit einfachen Lösungsrezepten sollten wir uns aber hüten. Sie gilt es zu entlarven. Sie führen nicht durch handfeste Krisen. Sie werden über kurz oder lang nicht erfolgreich sein. Sie erweisen – einer Firma oder einem Land – einen Bärendienst! Ganz gleich, ob Frau oder Mann!