Jede Präsidentengeneration hat ihre späte Vergangenheitsbewältigung. Chirac schämte sich für die Verfolgung der französischen Juden unter dem Regime von Pétain. Mitterand wollte dies nicht tun. Er war noch Minister unter diesem Regime, auch für Afrika. Macron gab im September 2018 nun zu, dass der französische Staat im Algerienkrieg (1954–1962) die Folter gegen die algerische Guerilla angeordnet hatte, aber auch eigene französische Bürger, die friedlich für die Unabhängigkeit Algeriens militierten, durch die französische Besatzungsarmee foltern und töten liess.
Es war eine wichtige, wenn auch nur noch symbolische Geste. Man wusste dies alles. Die französische Foltervilla in Algier war allen Algeriern bekannt und der rechtsextreme Jean-Marie Le Pen ist heute noch stolz darauf, dort gefoltert zu haben. Macron rehabilitierte dann auch die Harkis, die einheimischen Hilfstruppen der Kolonialarmee. Er verteilte 20 Ehrenlegionen und versprach 40 Millionen Euro für die Kinder. Von 150’000 Rekrutierten wurden 60’000 nach Frankreich mitgenommen und in Lagern untergebracht. Die Zurückgebliebenen wurden vom Front de libération nationale (FLN) als Verräter behandelt, also weitgehend umgebracht. Macron hat die Öffnung aller heiklen Archive versprochen.
Algeriens Präsident seit 1999, Bouteflika, hat die Unabhängigkeit seines Landes im marokkanischen Grenzort Oujda abgewartet. Da sich die alten Generäle des FLN – eine zeitlang prosowjetisch, da antifranzösisch – über die Machtteilung und das Erdölgeld nicht einigen konnten, blieb er der kleinste gemeinsame Nenner für ein Land, das nun in Fehden zwischen Generalssöhnen, in Korruption und damit fehlenden Kompetenzen gelähmt bleibt – seit 20 Jahren. Aber der Präsident ist krank, selbst nach wohltuenden Aufenthalten in seiner Genfer Klinik. Er hat sein eigenes Volk verraten. Und trotz allem blieb Frankreich eine Referenz.
„Folterstaat“ Frankreich
Der junge Präsident Macron kann mit den Greueln des Algerienkrieges anders umgehen. Die Algerier noch nicht.