Es ist zum Heulen, zum kleine Kinder kriegen, zum aus der Haut fahren.
Monatelang hat François Hollande - erst im Wahlkampf, dann als neuer Präsident Frankreichs - praktisch nichts falsch gemacht, kaum ein noch so kleiner Fehler ist ihm unterlaufen, kein wirklicher Faux Pas weit und breit – und jetzt das!
Diese Frau!
Diese Frau mit dem kühlen Blick und dem kalten Lächeln, die amerikanische Medien gar mit Laurence Bacall verglichen, die ganz offensichtlich mit der Normalität ihres Lebensgefährten nicht zurechtkommt und davon überzeugt scheint, dass unbedingt ganz Frankreich und halb Europa wissen müssen, dass sie existiert und wie es um ihre Gefühle bestellt ist.
Stichwahl zwischen Sozialisten
Da kämpft Segolène Royal, ihre Vorgängerin an François Hollandes Seite, die Mutter seiner vier Kinder, mit politischen und anderen Niederlagen in den letzten Jahren reichlich gesegnet, um ein Abgeordnetenmandat in der westfranzösischen Stadt La Rochelle. Die Sozialistische Partei hat sie dort aufgestellt.
Einer lokalen Grösse der Sozialisten, dem Herrn Falorni, passte das aber nicht, und er hielt seine eigene Kandidatur aufrecht. Resultat nach dem 1. Wahlgang: Segolène Royal erzielte 32 Prozent, Herr Falorni 28 – und es kommt in der Stichwahl zu einem Duell zwischen zwei Sozialisten. Die Parteiführung hat es nicht geschafft, Falorni davon zu überzeugen, sich wenigstens im 2. Durchgang zurückzuziehen. Schon dies allein war ärgerlich genug und der einzige echte Wermutstropfen bislang für die Sozialisten bei diesen Parlamentswahlen – denn die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass die ehemalige Präsidentschaftskandidatin der Sozialisten in der Stichwahl unterliegt.
Also rückten an diesem Dienstag die Parteichefin Martine Aubry persönlich und die Vorsitzende der Grünen, Cecile Duflot, gemeinsam in in der protestantischen Hafenstadt an, um Segolène Royal demonstrativ und sozusagen von höchster Stelle zu unterstützen.
Der katastrophale Tweet
Kaum hatten beide den aus Paris kommenden TGV verlassen, schlug die von Valérie Trierweiler perfekt getimte Bombe ein. Madame hatte ihr Mobiltelephon hervorgekramt und dieses vermaledeite Twitter-Konto wieder aktiviert, über das sie in der Vergangenheit schon so manche grenzwertigen Sentenzen von sich gegeben hatte.
Diesmal posaunte sie diese wie aus der Luft gegriffenen Sätze in die Welt hinaus: «Mut für Falorni, der sich als würdig erwiesen hat und seit vielen Jahren selbstlos an der Seite der Bürger von La Rochelle steht.»
Ist Madame Trierweiler nun seit über 20 Jahren im politischen Journalismus oder nicht? Beim geschichtsträchtigen, einst höchst angesehenen Wochenblatt Paris Match, wo früher sogar Leute wie Claude Lanzmann geschrieben haben und die besten Photographen der Welt ihre Reportagen veröffentlichen konnten. Sie ist! Also wusste sie ganz genau, was sie tat, als sie diesen unsäglichen Tweet absetzte.
Ende des paradiesischen Zustands
Drei gesegnete Wochen lang hatte auf diesem Twitter-Konto erholsamste Ruhe geherrscht – kein Geschreibe mehr über ihre Seelenzustände angesichts der neuen Rolle, die da auf sie zukommt, keine Aufforderung an die Journalistenkollegen, man möge sie doch bitte in Ruhe lassen und ihr nicht mehr vor der Privatwohnung auflauern, keine wütende Botschaft an eine Kollegin, die gewagte hatte zu schreiben, Thomas Hollande sei der Sohn des Paars Royal/Hollande. «Ehemaliges Paar» hätte es laut Valérie Trierweiler heissen müssen. Über drei Wochen nichts mehr von derartigen Kleingeistigkeiten im 140 Zeichentakt – und es war gut so. Konnte es wirklich nicht bei diesem paradiesischen Zustand bleiben?
Was war geschehen? Hatte sich François über ein zu hart gekochtes Ei beschwert oder darauf verwiesen, dass der Kühlschrank schon wieder leer sei, er aber als Präsident nun nicht mehr einfach nach unten in den kleinen Supermarkt gehen kann, um das Nötige einzukaufen, wie er das noch kurz vor der Wahl getan hatte? Hat es Streit gegeben wegen einer der bevorstehenden Reisen? Wollte Frankreichs Präsident seine Gefährtin nicht mit zum G20-Gipfel nach Mexiko nehmen, oder glaubte sie ihm nicht, dass er einen Tag in Rio dranhängt - nicht zum Vergnügen, sondern wegen eines Gipfels in Sachen Klima? Oder hatte er sogar versucht, ihr klar zu machen, dass ihr Ansinnen, den Beruf der Journalistin weiter auszuüben, gewisse Probleme mit sich bringt?
Wie geht es Ihnen heute morgen?
Was bitte, Valérie Trierweiler, soll das? Wie alt sind Sie? Über die Mittelstufe im Gymnasium sind wir doch wohl hinaus – oder? Wie bitte sollen wir uns das erklären? Einfach Dummheit und Naivität kann es doch wohl nicht sein, sonst wäre das, nebenbei gesagt, auch für unseren Berufsstand ein ziemliches Armutszeugnis.
Bleibt also wirklich nur die Eifersucht? Weil sie am Morgen erfahren haben, dass François Hollande Segolène Royal nach einem langen Telefongespräch am Sonntag beim Kampf um einen Abgeordnetensitz in La Rochelle seine Unterstützung zugesagt hat und Segolène Royal diese Unterstützung schriftlich in einem Wahlkampfdokument festgehalten hat, haben Sie schon am Mittag ihr nimmermüdes Handy in Betrieb gesetzt und diesen Furz abgelassen!
Es ist erbärmlich, niederträchtig und kleinlich – voilà. Wie geht es Ihnen eigentlich heute morgen? Sind sie jetzt stolz oder gar glücklich über den Scherbenhaufen, den Sie angerichtet haben?
Grenzenlose Souveränität
Die politischen Gegner, Madame, schlagen sich jedenfalls schallend auf die Schenkel, die Rechtsextreme Marine Le Pen giftet, selbst ausländische Presseagenturen freuen sich über den «Zickenkrieg», und den Genossen fallen reihenweise nur die Kinnladen herunter. Fünf Tage vor der Stichwahl müssen Sie, die Gefährtin des Präsidenten, sich also unbedingt auf diese Art zu Wort melden und dümmlich-platt der Vorgängerin eins auswischen. Auf einer Frau, die ohnehin schon halb am Boden liegt, mit ihren spitzen Absätzen kräftig herumtreten – das ist echte Grösse, zeugt von grenzenloser Souveränität und Gelassenheit! Wir attestieren Ihnen, dass Sie über ein wirklich enormes Talent verfügen, völlig ungefragt das perfekte Chaos anzurichten.
Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass ganz Frankreich in den letzten Wochen überglücklich darüber war, dass diese langen Jahre, in denen ein Staatspräsident permanent die private und die öffentlich-politische Sphäre miteinander vermengt hat, nun endlich ein Ende haben und François Hollande absolut glaubwürdig in diesem Punkt das genaue Gegenteil von Nicolas Sarkozy verkörpert?
Schliessen Sie Ihr Twitterkonto!
Ausgerechnet da fällt ihnen nichts Besseres ein, es genau so schlimm zu treiben wie der ehemalige Präsident. In einem hochnotpeinlichen Anfall von kindischer Eifersucht haben Sie mit 140 Zeichen und mit den Füssen stampfend zunichte gemacht, was François Hollande geduldig, über Jahre hinweg aufgebaut hat, und der Öffentlichkeit preisgegeben, welch Geistes Kind Sie sind und dass Sie sich in Sachen Eitelkeit und Geltungsbewusstsein leider in nichts von der Generation Sarkozy unterscheiden.
Schliessen Sie endlich Ihr Twitterkonto, geben Sie auch Ihr Büro im Elyseepalast auf und geben Sie Ruhe. Bitte! Richten Sie, wenn irgendwie möglich, nicht noch mehr Unheil an.
Und noch etwas. Wir hoffen inständig, dass Ihnen ein wohlgesonnener Mensch schnellstmöglich erklärt, was das Wort «Interessenkonflikt» bedeutet. Damit Sie sich endlich und sehr schnell entscheiden, ob Sie weiter Journalistin oder weiter die Lebensgefährtin von François Hollande bleiben wollen. Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen - beides geht nicht, Madame Trierweiler. So einfach ist das.