Eine fast leere Bühne, wie sich das für Beckett gehört, ein kleiner Tisch mit Schublade, ein Stuhl dahinter, ein für die Zuschauer nicht einsehbarer Hinterraum, aus dem der Darsteller des Krapp Büchsen mit Tonbändern und ein entsprechendes altmodisches Gerät holt – das sind die Requisiten.
Die Banane als Requisit
Mit ihrer Hilfe entsteht und entfaltet sich einer der grossen Theatertexte des 20. Jahrhunderts. Und die zwei, die ihn uns präsentieren, Regisseur Stephen Tree und Schauspieler René Peier, machen alles richtig. Man darf vermuten: Samuel Beckett, der ja nicht nur ein genialer Dramatiker, sondern auch ein gewiefter Theaterpraktiker war und selber Regie geführt hat, Beckett hätte die Aufführung goutiert.
Peier, in den vorgeschriebenen zu engen und zu kurzen schwarzen Hosen, der abgewetzten Weste, den zu grossen Schuhen paddelt und pendelt als clownesker Krapp über die Bühne, vollführt gekonnt die Kunststücke mit den Bananen, die er aus der Schublade holt, zeremoniell oder obszön schält und isst, dann auf der Schale ausrutscht und sich schliesslich hinter seine Bänder macht, um Schachtel drei, Spule fünf zu suchen. Der Regisseur nimmt Becketts minutiöse Regieanweisungen vom Anfang des Stücks mit in sein Konzept auf; Peier kommentiert seine Gesten und Handlungen, spielt den Krapp und sieht sich gewissermassen „laut“ dabei zu.
Eine stimmige Kunstfigur
Er macht das knapp, tragikomisch, entwickelt eine stimmige Kunstfigur, die von der ersten Minute an über grosse Bühnenpräsenz verfügt und einen so in Bann zu ziehen vermag. Es folgt das subtile Spiel mit dem Band, das ein- und ausgeschaltet wird, während der alte Krapp sich in Fragmenten Selbstzeugnisse aus längst vergangenen Jahren anhört, Szenen einer Liebesgeschichte, Situationsbestimmungen.
Flüsternd, bitter auflachend begleitet der Alte die Erzählungen dessen, der er einst gewesen ist, greift auch mal zum Mikrofon, spannt ein neues Band ein, um der Gegenwart Tribut zu zollen. „Eines Abends, spät, in der Zukunft“ so lauten die – einigermassen bedrohlichen – ersten Worte des Textes von Beckett. Peiers Krapp versucht in manchmal komischer, manchmal nur noch blosser Verzweiflung aus dieser Zukunft herauszukommen, um in der Vergangenheit zu ankern, einer Vergangenheit, in der er, mit Hilfe seiner Bänder, nach Belieben hin- und herfahren kann.
Denkt man an die flächendeckende Versorgung mit elektronischen Apparaten, die uns allen zuteil geworden ist und an die immer grösseren, immer lauteren Spuren, die dieses Phänomen auch in der zeitgenössischen Theaterpraxis, in zahlreichen Stücken und Inszenierungen hinterlässt, so kommt einem Becketts 1959 publiziertes Stück geradezu prophetisch vor. Was da über ein altertümlich anmutendes Gerät inhaltlich und formal mit Tonbandmaterial angestellt wird, stellt, im Rahmen des Theaters, so ziemlich alles in den Schatten, was später dazu gekommen ist.
Nächste Aufführungen am 23., 24. Und 25. April im Keller 62 an der Rämistrasse in Zürich