Na, geht doch. Die sogenannte Troika hat nichts dagegen, dass Griechenland auf die bereits erhaltenen 240 Milliarden Euro weitere bis zu 10 Milliarden Kredit draufgelegt werden. Denn, bei Zeus, der griechische Staat meldet einen Haushaltsüberschuss. Hört sich doch beruhigend an, schmeckt nach: Es geht aufwärts, Licht am Ende des Tunnels, alles wird gut. Kann deshalb ja nicht wahr sein.
Bilanzgebastel
Genauer betrachtet handelt es sich um einen sogenannten Primärüberschuss von 2,9 Milliarden Euro, wenn man griechischen Statistiken ein Mal vertrauen kann. Die Verhandlungen über die Umsetzung von Sparpaketen waren zwar so harzig wie Retsina, aber nun gibt es doch endlich mal eine positive Meldung, Überschuss hört sich immer gut an.
Ein Primärüberschuss bedeutet aber nichts anderes, als dass der Staat mehr eingenommen als ausgegeben hat – wenn man die Schuldzinsen herausrechnet. Einen solchen Slapstick kann keine private Firma aufführen, Staaten schon. Nehmen wir an, die Schraubenfabrik Vetterli sagt: Toll, wir haben 1 Million eingenommen und nur 900'000 ausgegeben. Tatä, damit haben wir einen Überschuss von 100'000. Allerdings haben wir dabei unsere Schuldzinsen von 500'000 rausgerechnet. Sieht doch einfach schöner aus, sonst hätten wir ja einen Verlust von 400'000 vermelden müssen, und wer will das schon. Kein Buchhalter würde diese Bilanz unterschreiben, denn er weiss um ein paar unangenehme strafrechtliche Folgen.
Was bedeutet Primärüberschuss?
Als nackte Zahl überhaupt nichts. Primärüberschuss bedeutet einfach, dass der Staat weniger ausgegeben als eingenommen hat. Wenn man seine Schulden und die dafür fälligen Zinsen und Tilgungen nicht berücksichtigt.
Wichtig wird Primärüberschuss, um die Tragbarkeit von Staatsschulden zu messen. Mal kurz etwas Mathematik, ist ausnahmsweise keine komplizierte Formel: p = d (i – g). Also der Primärüberschuss p ist gleich dem Produkt aus der Verschuldungsquote d mit der Differenz zwischen Schuldennominalzins i minus Wirtschaftswachstum g. Aus dieser Formel ergibt sich der nötige Primärüberschuss in Prozent, bei dem die Verschuldungsquote, die Staatsschulden ausgedrückt als Prozentsatz des Staatshaushalts, stabil bleibt.
Das bedeutet, dass der vermeldete Primärüberschuss von Griechenland überhaupt nichts bedeutet. Er müsste in Relation zur Staatsschuldenquote, Zinsen und Entwicklung des BIP gesetzt werden. Oder noch einfacher: Bei steigenden Staatsschulden (179,4 Prozent des BIP im Jahr 2013) einer seit sechs Jahren anhaltenden Rezession (minus 4,2 Prozent 2013) spielt das nicht die geringste Rolle.
Und weiter?
Aber freuen wir uns doch einfach und fragen uns, was Griechenland denn mit diesen 2,9 Milliarden anstellen will. Laut griechischem Finanzministerium soll damit ein Teil von ausstehenden Rechnungen gegenüber Lieferanten von Medikamenten an staatliche Spitäler bezahlt werden. Das ist eine kleine gute Nachricht für das zusammenbrechende Gesundheitssystem, das aber Milliardenschulden gegenüber ausländischen Pharmafirmen vor sich herschiebt.
Mit 500 Millionen soll «Geringverdienern und Obdachlosen» geholfen werden. Das ist eine kleine gute Nachricht für die verlumpende griechische Bevölkerung, die unter einer Rekordarbeitslosigkeit von fast 30 Prozent leidet (rauf von 9,4 Prozent im Jahre 2009).
Und schliesslich soll eine Milliarde vom griechischen Schuldenberg abgetragen werden. Das ist nicht mal eine gute Nachricht, sondern ein Witz. Denn gleichzeitig bekommt Griechenland bis zu zehn Milliarden neue Kredite, von den gesamten Staatsschulden ganz zu schweigen.
Schuss in den Ofen
Also ist zusammenfassend die Jubelmeldung aus Griechenland nichts anderes als heisse Luft. Dazu noch ein zweites Beispiel. Wenn Schraubenfabrikant Vetterli seine Ausgaben runterholzt, die Betriebskantine schliesst, seinen Angestellten weniger Lohn zahlt, Ferienansprüche aufs gesetzliche Minimum reduziert und auch noch ein paar Zahlungsfristen für fällige Rechnungen, für was gibt es kreative Buchhaltung, einseitig verlängert, dann hat Vetterli auch einen Primärüberschuss bei gleichbleibenden oder sogar sinkenden Einnahmen.
Wenn er aber dennoch fällige Schuldzinsen nicht begleichen kann und auch keine neuen Kredite bekommt, dann kann er nach dieser Jubelmeldung die Bücher deponieren und die Werkstore schliessen. Denn er ist trotz Primärüberschuss pleite.
Pech für ihn, dass er weder systemrelevant noch ein Staat ist. Denn dann gelten zwei Grundprinzipien aus der Welt der Finanzen nicht. Das erste: Gewinn oder Verlust, bzw. Überschuss oder Defizit, das ist die Zahl, die ganz unten steht, unter Einberechnung von allen Einnahmen und Ausgaben. Das zweite: Können nicht einmal die Zinsen von Krediten bezahlt werden und gibt auch niemand einen neuen Kredit dafür, dann ist aus die Maus.
Pech für Vetterli
Das grösste Pech für eine private Firma ist aber Folgendes. Würde sie sagen: «Also mittelfristig gesehen, wenn alles gut läuft und wir uns wieder erholen, sieht alles wunderbar aus. Wir kommen hinten wieder hoch, produzieren mehr, machen mehr Gewinn, alles super. Also spielt es doch keine Rolle, dass wir aber vorher, so in etwa sechs Monaten, pleite sind», dann würde sie schallendes Gelächter ernten.
Ein Staat wie Griechenland kann aber von der Illusion zehren, dass er eigentlich unkaputtbar sei. Obwohl Griechenland seit seiner Gründung in heutiger Form im Jahre 1832, übrigens aus einer Pleite heraus, bis heute länger insolvent und häufiger bankrott war als zahlungsfähig und prosperierend. Aber bei Zeus, die Hoffnung stirbt zuletzt.