Jean Monnet und Robert Schuman drehen sich im Grab um. Die Montan-Union war noch eine Idylle. Die Euopäische Union, nach dem Zweiten Weltkrieg einst als Gegengewicht zur Sowjetunion und auch den USA gedacht, ist zu einem politisch lahmen Monster mit 28 wirtschaftlich unterschiedlich wuchernden, nationalen oder gar nationalistischen Wurmfortsätzen geworden. Jeder macht und nimmt, was ihm passt. Die Schweizer haben das mit den "Bilateralen" letztlich gut verstanden. Cameron sowieso und vor ihm schon seine Vorgängerin Thatcher ("I want my money back!"). Aber schon de Gaulle hatte sich über dieses "Europa-Geschwafel" mokiert.
Das Migrantenproblem - eine Million pro Jahr seit 2015 - hat die EU an den Rand einer politischen Nervenkrise getrieben und eine stupende - und unmenschliche - Unfähigkeit zu einer prospektiven, kollektiven, solidarischen und generalstabsmässigen Bewältigung aufgezeigt. Merkel willkommt alle, Frankreich degradiert sich dagegen masochistisch zur britischen Inlandgrenze (denn alle wollen vom Elend in Calais nach Grossbritannien, wo sie Verwandte haben). Österreich und Nachbarländer schliessen willkürlich ihre Grenzen. Alles ohne Absprache und geltendes Recht. Griechenland, schon vom Grexit bedroht, wird ignoriert, obwohl es am schwersten unter der nicht kontrollierten Immigration leidet. Der Brexit von Cameron dagegen wird honoriert und der neo-ottomanische türkische Präsident Erdogan wird hofiert, obwohl er - zusammen mit Putin - den Krieg gegen die syrische Bevölkerung und damit das Flüchtlingsproblem - anheizt.
Falls wir es nicht gemerkt haben, erinnert uns "Le Monde" daran, dass die Selbstzerstörung Europas - "klinischer Tod" - in diesen Tagen begonnen habe. Europa - ein Mythos, den wir den gebeutelten Griechen verdanken, aber auf den wir angewiesen bleiben. Frankreich geht von einem Ideal aus, Deutschland von der Realität, Grossbritannien von seinem Zynismus. Aber es bleiben ja noch soviel Probleme, die Europa am Herzen liegen: die Banken, die Landwirtschaft (von der sich Frankreich "bestraft" fühlt), das gemeinsame Budget und die Steuerpolitik.