„Grossdemonstration der Corona-Skeptiker“ (NZZ), „Corona-Skeptiker wollen Polizei verscheuchen“ (Bote der Urschweiz), „In Berlin und Stuttgart demonstrieren Corona-Skeptiker“ (Spiegel), „Merkel wandte sich an die Corona-Skeptiker“ (Süddeutsche Zeitung), „Corona-Skeptiker radikalisieren sich“ (Blick), „Corona-Skeptiker auf Telegram“ (SRF).
Corona-Skeptiker überall. Was sind Skeptiker?
Das sind Menschen, die einer Entwicklung oder einer Behauptung kritisch, misstrauisch, zweifelnd, teils ungläubig, teils abwägend gegenüberstehen.
Zum Glück ist der Mensch skeptisch. Zum Glück wägt er ab, prüft, hinterfragt, zieht andere Informationsquellen bei und glaubt nicht blind alles, was man ihm vorsetzt. Skepsis hindert uns, allem Unsinn unbedacht auf den Leim zu kriechen.
Aber: Stehen die Demonstrantinnen und Demonstranten, die auch von den grossen Medien als Skeptiker bezeichnet werden, der Corona-Politik wirklich skeptisch, misstrauisch, zweifelnd gegenüber? Es mag solche geben. Doch die Mehrheit der Demonstranten zweifelt nicht, hinterfragt nicht, sie glaubt, es einfach zu wissen.
Vertieft man sich in die Chats und in den WhatsApp-Verkehr der Menschen, die zu den Corona-Demonstrationen aufrufen, läuft es einem kalt über den Rücken. Das sind keine Skeptiker, die da zum Protest aufrufen. Da gibt es keine Zweifler, da wird nicht abgewogen.
Das sind Radaubrüder und Radauschwestern, Querdenker und Querköpfe, notorische Querulanten und aggressive Besserwisser, die schon längst wussten, was der Bundesrat hätte tun müssen, rührende Kapitalismus-Kritiker, Masken- und Impfverweigerer, die in Kauf nehmen, dass sie andere anstecken, religiöse Spinner, die glauben, der Impfstoff erhalte Zellen abgetriebener Föten, Polit-Hooligans, die Diktatur und Zensur schreien, frustrierte Hasserfüllte, die mit ihrer eigenen Situation hadern, Hysteriker, die glauben, Bill Gates wolle uns Chips einimpfen, Kabarettisten, die längst vergessen sind und sich durch Proteste wieder in Erinnerung rufen wollen, Influencerinnen, die hoffen, dass der Boulevard sie endlich entdeckt, Verschwörungsanhänger, Identitäre, Qanon-Vasallen, Neo-Nazis, die mit dem Hitlergruss grüssen (nicht nur in Berlin), Juden-Hasser, Rechtsextreme, Linksextreme.
Wenn wir diese Leute als „Skeptiker“ bezeichnen, waschen wir sie rein und hängen ihnen ein euphemistisches Etikett um den Hals.
Es mag bei den Demonstrationen eine Gruppe wirklicher Skeptiker geben – Leute, die ernsthaft besorgt sind, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Man darf und soll unsere Regierung kritisch unter die Lupe nehmen. Demokratie lebt von der Auseinandersetzung. Man soll darüber diskutieren dürfen, ob die Schutzmassnahmen zu weit gehen oder nicht. Doch die meisten der Skeptiker, die diese Bezeichnung verdienen, gehen wohl nicht auf die Strasse. Sie wollen auch nichts zu tun haben mit den Wutentbrannten, die gar keine Argumente haben und nur um des Klamaukes willen demonstrieren.
Wenn bei Demonstrationen auf acht wirre Querköpfe zwei aufrichtige Skeptiker kommen – wieso werfen wir denn alle in den gleichen Topf und bezeichnen alle zehn als „Skeptiker“?
Dazu kommt: Die meisten „Skeptiker“, die die Medien als Skeptiker bezeichnen, sind alles andere als skeptisch. Ausgerechnet sie sind es, die am unkritischsten und am anfälligsten sind für Verschwörungstheorien. (Man konsultiere ihre Web-Einträge.) Sie glauben blind jeden Unsinn, der im Netz verbreitet wird. Kein Abwägen, kein Überprüfen, kein Denkprozess, kein Einsatz des gesunden Menschenverstandes.
Skepsis gegenüber dem Internet-Müll? Keine Spur.