Der Verfasser, der eigentlich Erich Paul Remark hiess, kam aus einfachen Verhältnissen. Er wollte ursprünglich Volksschullehr er werden, doch der Erste Weltkrieg brauchte Soldaten. Mit 18 Jahren wurde er zum Militärdienst eingezogen und dann an der belgischen Front eingesetzt. Bereits nach sechs Wochen wurde Remarque durch Granatsplitter schwer verwundet und in einem Lazarett in Duisburg hospitalisiert, wo er bis zur völligen Genesung als Schreibkraft tätig blieb. Der Waffenstillstand vom 11. November 1918 kam einem erneuten Fronteinsatz zuvor.
In der Zwischenkriegszeit arbeitete Remarque kurze Zeit als Lehrer, übernahm dann verschiedene Gelegenheitsarbeiten, schrieb journalistische Texte und zwei misslungene Romane. Den Plan, sein Kriegserlebnis literarisch zu verarbeiten, fasste der Schriftsteller bereits nach Kriegsschluss, doch erst zehn Jahre später lag der Roman im Manuskript vor. Bisher hatten sich in Deutschland vor allem Politiker und Generäle in Memoiren und Rechtfertigungsschriften mit dem Krieg befasst. Auch fehlte es nicht an Berichten von Kriegsteilnehmern, die den Heldenmut des deutschen Soldaten hervorhoben: Ernst Jüngers „In Stahlgewittern“, 1920 erschienen, ist einer der bekanntesten. Remarques Werk unterscheidet sich von all diesen Publikationen dadurch, dass es den Krieg weder rechtfertigt noch hochstilisiert, sondern radikal ablehnt. Es ist ein pazifistisches Buch, auch wenn sich sein Autor immer dagegen gewehrt hat, einer Ideologie oder Partei zugerechnet zu werden.
An den Beginn seines Romans setzte Remarque eine Vorrede: „Dieses Buch soll weder eine Anklage noch ein Bekenntnis sein. Es soll nur den Versuch machen, über eine Generation zu berichten, die vom Kriege zerstört wurde – auch wenn sie seinen Granaten entkam.“ Damit wendet sich der Autor mit Entschiedenheit gegen die bei der konservativen Rechten weit verbreitete Mystifikation, welche an der Kriegserfahrung den Aspekt heroischer patriotischer Bewährung hervorhob. Die Vorrede erinnert vielmehr an das berühmte Wort von der „lost generation“, das Hemingway 1926 seinem Kriegsroman „The Sun also Rises“ vorangesetzt hatte. Für Remarque wie für Hemingway war der Erste Weltkrieg eine kulturelle Katastrophe, die den Glauben einer ganzen jüngeren Generation an die Zukunft zerstörte.
Vieles an „Im Westen nichts Neues“ erinnert an den Roman “Le feu“, den Henri Barbusse bereits 1916 erscheinen liess. Auch Remarque berichtet über den Kriegsalltag aus der Sicht eines einfachen Soldaten in einer Abfolge von prägnant formulierten Episoden. Der Erzähler heisst Paul Bäumer, stammt wie seine Kameraden aus derselben Schulklasse und ist wie sie noch nicht zwanzig Jahre alt. Das Buch spielt auf drei Ebenen: in der Etappe, an der Front, im Heimaturlaub. Man hat zehn Wochen öden Kasernenhofdrill hinter sich gebracht und wird in den Aufmarschraum verfrachtet. Erste Kritik wird wach. Kritik am Klassenlehrer und seinem leeren heroischen Pathos, Kritik an den Politikern. „Wie wäre es denn“, sagt einer von Bäumers Kameraden, „wenn die führenden Minister und Generäle mit Knüppel auf einander losgingen?“ Schon die ersten Kapitel handeln vom Zerfall der Illusionen, mit denen man ins Feld gezogen ist. „Das erste Trommelfeuer“, schreibt Remarque, „zeigte uns unserem Irrtum, und unter ihm stürzte die Weltanschauung zusammen, die sie uns gelehrt hatten.“
Paul Bäumer und seine Kameraden werden zu Schanzarbeiten an die Front befohlen. Man rückt in der Abenddämmerung durch zerschossenes Gelände vor, gerät in einen Feuerüberfall, sucht auf einem Friedhof Deckung. Doch der Krieg macht selbst vor den Toten nicht Halt. „Die Friedhof“, schreibt Remarque, „ist ein Trümmerfeld. Särge und Leichen liegen verstreut. Sie sind noch einmal getötet worden; aber jeder von ihnen, der zerfetzt wurde, hat einen von uns gerettet.“ Ein paar Tage später kommt es zum gegnerischen Angriff. Eine merkwürdige Veränderung geht in den Soldaten vor: „Aus uns“, heisst es da, „sind gefährliche Tiere geworden. Wir kämpfen nicht, wir verteidigen uns vor der Vernichtung... Wir haben das Gefühl füreinander verloren, wir kennen uns kaum noch, wenn das Bild des andern in unseren gejagten Blick fällt. Wir sind gefühllose Tote, die durch einen Trick, einen gefährlichen Zauber noch laufen und töten können.“ Der Angriff wird abgeschlagen. Überall zeigen sich schreckliche Bilder der Vernichtung: Menschen, die das heraustretende Gedärm mit ihren Händen zurückhalten, andere, die mit zerschmetterten Gliedmassen davonzukriechen suchen. Der Kompanieführer, selbst verwundet, ruft zum Appell. Von den hundertfünfzig Mann meldet sich nur noch ein kleines Grüppchen. „Wir sind“, sinniert Paul Bäumer vor sich hin, „verlassen wie Kinder und erfahren wie alte Leute, wir sind roh und traurig und oberflächlich – ich glaube, wir sind verloren.“
Gewiss gibt es auch im Leben dieser Soldaten Augenblicke der Ruhe, der Entspannung und eines fragwürdigen Glücks; aber die Schrecken des Krieges bleiben allgegenwärtig. Das einzig Positive am Krieg ist die Kameradschaft, die Solidarität, die im Angesicht des Todes entsteht. Man raucht, tauscht Erinnerungen aus, spielt Karten, trinkt requirierten Cognac oder isst eine gestohlene Gans. „Ich bin nicht mehr ein zitterndes Stück Dasein allein im Dunkel“, sagt sich Bäumer, „ - ich gehöre zu ihnen und sie zu mir, wir haben alle die gleiche Angst und das gleiche Leben, wir sind verbunden auf eine einfache und schwere Art.“
Auch der Heimaturlaub ermöglicht kein Vergessen, verschafft keine Erleichterung. Paul Bäumer trifft in der Stadt seiner Kindheit ein, Erinnerungen werden wach, aber alles ist ihm merkwürdig fremd geworden. Er kommt heim zu seiner schwerkranken Mutter, die sein Lieblingsgericht auftischt, sieht den Vater, der auf seinen Sohn stolz ist. Die alten Herren am Stammtisch empfangen Bäumer mit Applaus, spendieren Bier und Zigarren. Sie unterhalten sich darüber, welche Territorien im Falle des Sieges zu annektieren seien, und einer von ihnen, ein Direktor, ruft Bäumer zu: „Nun macht mal ein bisschen vorwärts da draussen mit eurem ewigen Stellungskrieg. Schmeisst die Kerle raus, dann gibt es auch Frieden.“ Der Erzähler schweigt und denkt: „Ich finde mich hier nicht mehr zurecht, es ist eine fremde Welt.“ Enttäuscht kehrt er an die Front zurück.
Die berühmteste Stelle in Remarques „Im Westen nichts Neues“ ist die oft zitierte Duval-Episode. Auf einem Patrouillengang verliert Paul Bäumer den Kontakt mit seiner Gruppe, gerät in schweres Feuer und geht in einem Granattrichter in Deckung. Da rutscht ein fremder Körper in den Trichter herab, und Bäumer sticht zu. Es ist ein Franzose, und der Deutsche, Aug in Auge mit seinem sterbenden Feind, gibt sich zum ersten Mal Rechenschaft, dass er einen Menschen getötet hat. „Kamerad, ich wollte dich nicht töten“, lässt Remarque seinen Erzähler sagen. „Sprängst du noch einmal hier hinein, ich täte es nicht, wenn auch du vernünftig wärest. Aber du warst mir vorher nur ein Gedanke, eine Kombination, die in meinem Gehirn lebte und einen Entschluss hervorrief – diese Kombination habe ich erstochen. Jetzt sehe ich erst, dass du ein Mensch bist wie ich. Ich habe gedacht an deine Handgranaten, an dein Bajonett und deine Waffen – jetzt sehe ich deine Frau und dein Kind und das Gemeinsame. Vergib mir, Kamerad.“ Der Franzose stirbt. Bäumer durchsucht seine Brieftasche, findet ein Foto von seiner Frau und Tochter und ein Dienstbüchlein mit dem Namen: Gérard Duval, Typograf. Halb wahnsinnig vor Schmerz ruft der Erzähler aus: „Ich habe den Buchdrucker Gérard Duval getötet. Ich muss Buchdrucker werden, denke ich ganz verwirrt, Buchdrucker werden, Buchdrucker.“
Die Jahre vergehen, kein Friede ist in Sicht. Die Amerikaner treten in den Krieg ein, die feindliche Flugwaffe gewinnt die Übermacht, erstmals werden Tanks eingesetzt. Im Frühling 1918 misslingt ein letzter Versuch des Deutschen Reiches, mit einem Grossaufgebot von über einer Million Soldaten das Blatt zu wenden. Paul Bäumer kehrt nach einer Verwundung wieder an die Front zurück. Die letzten von seinen alten Kameraden sterben, sein bester Freund, der Landwehrmann Stanislas Kaczinsky, stirbt. Gerüchte von einem baldigen Kriegsende machen die Runde. Anfang Oktober 1918 ersucht Deutschland die Alliierten um einen Waffenstillstand. Doch Paul Bäumer erlebt diesen Waffenstillstand nicht mehr. Der Roman schliesst mit den Worten: „Er fiel im Oktober 1918, an einem Tage, der so ruhig und still war an der ganzen Front, dass der Heeresbericht sich nur auf den Satz beschränkte, im Westen sei nichts Neues zu melden. Er war vornüber gesunken und lag wie schlafend an der Erde. Als man ihn umdrehte, sah man, dass er sich nicht lange gequält haben konnte; - sein Gesicht hatte einen so gefassten Ausdruck, als wäre er beinahe zufrieden damit, dass es so gekommen war.“
„Im Westen nichts Neues“ erschien zuerst als Vorabdruck in der „Vossischen Zeitung“. Fünf Monate nach Erscheinen des Buches waren bereits 640′000 Exemplare abgesetzt, nach einem Jahr war die Million überschritten. Die Kritiken lauteten im allgemeinen günstig. Carl Zuckmayer schrieb, das Buch gehöre „in die Schulstuben, die Lesehallen, die Universitäten, in alle Zeitungen, in alle Funksender“. Übersetzungen kamen heraus, und ein Film, in Hollywood gedreht, erreichte hohe Zuschauerzahlen, obwohl die Regierungen einzelner Länder ihn wegen seines pazifistischen Inhalts verboten. Heftigen Widerspruch erfuhr das Buch bei der konservativen Rechten und den in Deutschland an die Macht drängenden Nationalsozialisten. In diesen Kreisen sah man im Roman ein Zeugnis des Defaitismus, das der These, das heldenhafte deutsche Heer sei im Felde unbesiegt geblieben, widersprach. Der „Völkische Beobachter“ befand, das „wahre Kriegserlebnis“ sei hier gefälscht und ins Negative gezerrt worden, und bei den Bücherverbrennungen der Nazis im Frühling 1933 wurde das Buch dem Feuer überantwortet. Aber Kritik gab es auch von links, wo man dem Autor vorwarf, er gehe nicht auf die wahren Ursachen des Krieges ein, die in den politisch-ökonomischen Voraussetzungen der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaftsordnung lägen.
Erich Maria Remarque war im Unterschied zu Barbusse keine politische Kämpfernatur. Mit den Einkünften seines Buches finanzierte er den Kauf einer Villa in Porto Ronco im Tessin. Er emigrierte 1939 in die USA, hielt sich vorwiegend in Hollywood auf, verkehrte in der dortigen High Society und traf Filmstars wie Greta Garbo, Marlene Dietrich und Elisabeth Bergner. Weitere erfolgreiche Romane wie „Liebe deinen Nächsten“ und „Arc de Triomphe“ erlaubten ihm auch im Exil ein komfortables Leben. Remarques bewegtes Liebesleben beruhigte sich 1958 mit der Heirat von Paulette Godard, der ehemaligen Frau von Charlie Chaplin. Erich Maria Remarque starb 1970 in einer Klinik in Locarno.