Ein Grande der Schweizer Filmkunst feiert am 27. April 2024 seinen 80. Geburtstag: Erich Langjahr. Er hat internationales Renommee, seine Werke sind vielfach preisgekrönt. Und die Schaffensreise geht weiter: Im Herbst ist die Uraufführung seines Dokumentarfilms «Die Tabubrecherin» geplant.
Erich Langjahr hat seine Laufbahn als selbständiger Filmemacher 1971 begonnen, entstanden sind viele Kurzfilme, ab 1978 auch lange Dokumentarfilme, die ein anspruchsvolles Publikum faszinieren – formal durch eine originäre filmchoreografische Handschrift und inhaltlich, weil Erich Langjahr die Fähigkeit zu eigen ist, aus dem vermeintlich kleinen Ganzen schöpfend auf universal Begreifbares, existenziell Relevantes hinzuweisen.
«Eine Schweiz zwischen Herz und Verstand»
Was sich exemplarisch in unterschiedlichen Werken spiegelt. Wie in «Ex Voto» (1987), wozu Langjahr schreibt: «Mit diesem Film löse ich mein Versprechen ein, die Landschaft meiner Jugend zu filmen. Dieses Versprechen ist ein Gelübde.» Oder in «Männer im Ring» (1990) über die letzte Männer-Landsgemeinde von Hundwil in Appenzell-Ausserrhoden, laut dem Filmautor «eine Schweiz zwischen Herz und Verstand. Eine Parabel über Demokratie». In «Hirtenreise ins dritte Jahrtausend» (2002), nach Langjahr «auch Ausdruck meiner eigenen Zerrissenheit (…) und der dritte Beitrag einer Trilogie, in der ich mich mit den elementaren Fragen des Menschen und seiner Existenz auseinandersetze. Im Zentrum stehen die Fragen nach Identität, Überleben und Zukunft.»
Das Lebens-Ethische ergründen
Erich Langjahr ist ein gespüriger Sichtbarmacher, den es reizt, das oft in der Tradition des ländlich-schweizerischen «Heimatlichen» verwurzelte Lebens-Ethische zu ergründen. Wie es der Publizist Martin Schlappner im «filmbulletin» 1995 in einem Essay zum Thema 100 Jahre Schweizer Film in Bezug auf das oben erwähnte Werk «Ex Voto» so kurz wie bündig formulierte: «Erich Langjahr belegt, dass die ethnographischen Entdeckungsfahrten im eigenen Land, hier in den Hügeln, Tälern und Agglomerationen des Kantons Zug, noch immer ergiebig sind.»
In diese Umgebung hinein wurde Erich Langjahr 1944 in Baar geboren. «Ethnographische Entdeckungsfahrten» hat er im Verlauf seines Lebens gewiss etliche unternommen. Wobei es ihm als filmkünstlerischer Chronist eindrucksvoll gelingt, im (vermeintlich) Vertrauten, Brachliegenden, wenig Bekannten, ja fast Vergessenen passioniert schürfend manch Überraschendes ans Licht zu holen, visuell ins Bewusstsein zu rücken. Doch: Ohne die Klischees der Helvetischen Volkstümlichkeit, in welcher Hinsicht auch immer, als Argumentationshilfen zu bemühen.
Zum Weiter-Erspüren verführen
Erich Langjahr hat eigene Vorstellungen und lotst die Zuschauenden porentief nah an oft unerwartete Schauplätze mit Menschen und Tieren. Um dort das Publikum erzählerisch zu verführen, das Wahrgenommene am jeweilig eigenen Erleben und Erfahren zu messen und weiter erspüren zu wollen. Was offensichtlich über die Kulturkreise hinaus funktioniert, wovon die weltweite Anerkennung, die dem Künstler zuteilwird, Zeugnis ablegt.
Dass das im zur ungeduldigen Hektik verleitenden Digitalzeitalter noch immer passt, ist bestimmt mit dem Umstand geschuldet, dass der vife, präzise Beobachter Erich Langjahr nicht allein in Sachen Filmkunst, sondern auch als Produzent Wert auf Unabhängigkeit legt. Er wirkt wie ein Kultur-Generalist, kümmert sich, wie man das in seiner Branche derart nicht häufig erlebt, um alles: von der Themenwahl über die Realisation bis hin zur vermutlich nicht immer schöngeistigen Auswertung seiner Arbeiten an Festivals, im Kino, im Fernsehen oder auf DVD.
Vom Fluidum des Kontemplativen umweht
1994 gründete er mit seiner Lebenspartnerin Silvia Haselbeck die Langjahr Film GmbH, die sich der Produktion und dem Vertrieb der eigenen Dokumentarfilme widmet. Und sich mit Umsicht um nachgelassene Werke von wegweisenden Persönlichkeiten kümmert, die den Neuen Schweizer Film ab den 1960er Jahren mitprägten, nachhaltig befruchteten und inspirierten. Wie das vom filmischen Neorealismus und dem Cinéma vérité beeinflusste Duo Reni Martens und Walter Marti. Oder die initiative Grafikerin, Fotografin, Film- und notabene frühe Video-Pionierin Isa Hesse-Rabinovitch; Menschen, mit denen sich Erich Langjahr auf besondere Weise verbunden fühlte.
Erich Langjahrs Filmbijous umweht das Fluidum des Unaufgeregten, bisweilen hin zum Kontemplativen. Wer sich auf ihren wie magnetisierenden Rhythmus einlässt, hat beste Chancen, von einer poetischen Emotionalität beseelt zu werden. Was sich bald wieder überprüfen lässt.
Die Schaffensreise geht weiter
Am 27. April feiert Erich Langjahr, ein Grande der Schweizer Filmkunst, seinen 80. Geburtstag. Und seine Schaffensreise geht weiter. Im Herbst 2024 soll sein nächster Kinofilm Premiere haben: «Die Tabubrecherin» erzählt von Michèle Bowley, einer starken Frau, die sich ihrer schweren Krankheit stellt, spirituell und in der Natur Kraft schöpfend für den Gang über das Leben hinaus.
Ein ambitioniertes, sehr intimes Thema, das Erich Langjahr gemeinsam mit seiner fachlich kongenialen und sensitiven Gefährtin Silvia Haselbeck aufgearbeitet hat. Es ist natürlich nicht die erste intensive Kreativ-Komposition der beiden. Und im Wissen dessen ist davon auszugehen, dass das Resultat einmal mehr ein von Herzens-Empathie getragenes, stimmiges und sinnlich-besinnliches Filmerlebnis sein wird.
Am Montag, 29. April präsentiert der Jubilar im Stattkino Luzern ein von ihm kuratiertes Film-Programm und empfängt «Gäste, Weggefährten und treue Seelen» zu Gesprächen und zum Beisammensein. Infos: www.stattkino.ch/programm/film/702:erich-langjahr
Weitere Infos zu Erich Langjahr und seinem Schaffen: www.langjahr-film.ch