Der Clubbesitzer und Partylöwe Carl Hirschmann hatte und hat eine Anzahl Prozesse gegen sich wie auch für sich laufen. Ungewollt steht er jetzt aber für eine Novität in der Anwendung des gesetzlichen Persönlichkeitsschutzes. Das Bundesgericht hat ihn dazu verknurrt, der ehemaligen Freundin Lulu nach einer schweren Persönlichkeitsverletzung im Internet Genugtuung zu leisten: Indem er auf einer Website, Plattform der damaligen Persönlichkeitsverletzung, eine bereits übermittelte private Entschuldigung publiziert.
Klage auf Genugtuung
Als Sanktion des Zivilgesetzbuchs ist – unter anderem – seit langem bekannt, dass ein obsiegender Kläger verlangen kann, ein Urteil müsse „Dritten mitgeteilt oder veröffentlicht werden“ (Art. 28 a ZGB). Ausdrücklich „vorbehalten“ bleibt im selben Artikel des Zivilgesetzbuchs auch eine Klage auf Genugtuung. Damit ist der Kläger in das Obligationenrecht verwiesen, wo der Richter bei „schwerer widerrechtlicher Persönlichkeitsverletzung“ eine „Geldsumme als Genugtuung“ sprechen kann. Gemeint ist ein Ausgleich für erlittenen seelischen Schmerz („tort moral“ heisst es elegant auf französisch). „Anstatt oder neben der Geldsumme“ kann der Richter auch eine andere Form der Genugtuung anordnen (Art. 49 OR). Diese muss verhältnismässig sein, also unterschiedlich je nach Schwere der Verletzung und des Verschuldens.
Hirschmann und Lulu waren 2008/2009 ein Paar gewesen. Im Oktober 2009 klagte Lulu den Carl wegen Körperverletzungen ein. Unter der Internetadresse einer Firma, die nach Hirschmanns damaligem Nachtclub benannt war, schalt Hirschmann seine ehemalige Gespielin „eine enttäuschte ex-Geliebte“, nunmehr als „Lügnerin“ auf dem „Rachefeldzug“. So stand es auf seinen Facebook-Profilen (seither gelöscht). Das Zürcher Obergericht bestätigte später eine schwere Persönlichkeitsverletzung durch diese Internet-Inhalte und verbat deren Wiederholung in Text und Bild. Mit der Berufungsschrift an das Obergericht hatte Hirschmanns Anwalt einen Brief eingereicht, worin sein Klient zusicherte, Text und Bild nicht mehr ins Internet zu rücken, sie auch nicht weiterzugeben; für erlittene seelische Unbill, welche Lulu erlitten haben sollte, entschuldige er sich „in aller Form“.
Verletzende Polemik
Lulu verlangte, dieser Entschuldigungsbrief sei per Gerichtsbefehl im Internet so zu publizieren, dass möglichst der gleiche Adressatenkreis erreicht werde, der die verletzende Polemik gelesen habe. Eine eigentliche Urteilspublikation forderte sie nicht. Das Obergericht hatte diesen Klagepunkt abgewiesen: Verschiedene Gerichtsberichte in den Massenmedien, die sich teilweise mit denselben Vorfällen befassten, hätten so viel Aufmerksamkeit erregt, dass eine weitere Genugtuungspublikation nicht mehr erforderlich sei.
Dem widersprach nun das Bundesgericht. Bei der Genugtuung laut OR gehe es auch darum, dass “der Täter in einer dem Opfer entsprechenden Form Sühne leiste“. Dritte sollten „in gebührender Form Kenntnis vom begangenen Unrecht und der Entschuldigung erhalten“. Dafür sei neben Hirschmann auch der „Hostprovider“ der Internetplattform verantwortlich. [Das musste das Bundesgericht früher im Jahr bereits der „Tribune de Genève“ beibringen: diese hatte auf ihrer offenen Website verletzende Angriffe des populistischen Politikers Stauffer nicht verhindert]. Gemäss Art. 28 ZGB kann eben „jeder, der an einer Persönlichkeitsverletzung mitwirkt“ – wenn auch noch so indirekt - vor Gericht gezogen und wegen Persönlichkeitsverletzung verurteilt werden.
Eine Novität ist dieses neueste Bundesgerichtsurteil insofern, als Kommentatoren zu Art. 28 ZGB bisher noch betonten, eine „Entschuldigung“ des Verletzers, also einen seelisch-subjektiven Akt, könne die Gerichtspraxis nicht verlangen. Aber der Zürcher Medienanwalt Andreas Meili, Verfasser der entsprechenden Zeilen im „Basler Kommentar“ zum ZGB, stimmt dem Urteil zu: Es gehe nicht um die Entschuldigung an sich, denn die sei ja bereits erfolgt. Sondern um deren Publikation zuhanden der Leser früherer verletzender Polemiken gegen Lulu. Eine Form der Genugtuung – ganz im Sinne des Gesetzes.
Rechtsanwalt Peter Studer, früher Chefredaktor des „Tages-Anzeigers“ und des Fernsehens SRF, schreibt heute über Medienrecht und Medienethik.